Braucht der Innenring Radwege?

Der Innenring: Wo Radwege nötig sind und Kreuzungen umgebaut werden müssen

Der Innenring hatte Radwege – bis 1962. Dann wurden daraus Parkstreifen. Braucht der Innenring neue Radwege? Die Stadt Bochum hat 2022 ihr Konzept Radkreuz Bochum vorgestellt (https://www.bochum.de/Tiefbauamt/Dienstleistungen-und-Infos/Radkreuz) und im September 2023 ordentlich Presserummel Logos auf die Fahrbahnen rund ums Rathaus geklebt. Dabei wurde das Radkreuz „Drehscheibe“ genannt, aber genau das soll es nicht sein.

Das Radkreuz soll über ausgezeichnete Radwegeverbindungen innerhalb des Innenrings die Cityradialen und zukünftig auch Velorouten auf kürzestem Weg verbinden. Das klingt gut, übersieht aber, das gar nicht alle Radialen so angebunden werden können. Die Universitätsstraße wird deshalb im Konzept vorsichtshalber gar nicht erst als „Cityradiale“ benannt.

Das Radkreuz kann schon allein deshalb Radwege auf dem Ring nicht ersetzen.

Der Innenring: Wo Radwege nötig sind und Kreuzungen umgebaut werden müssen

Rot eingezeichnet: Wo trotz Radkreuz Radwege nötig sind und welche Kreuzungen umgebaut werden müssen, um die Radialstraßen an die Innenstadt anzubinden.
Grün: Der einzige Abschnitt, wo die Verwaltung Radwege trotz Radkreuz eingestandenermaßen nicht vermeiden kann.

Zum Thema Radwege auf dem Innenring hat die Stadt Bochum am 01.02.2024 den Stand ihrer Überlegungen mitgeteilt:
Im Rahmen der Erarbeitung des Verkehrskonzepts Innenstadt wurde frühzeitig festgestellt, dass eine Umfahrung des Innenstadtrings durch Radfahrende nur auf den wenigsten Relationen sinnvoll ist und dafür kein Bedarf besteht.“

Wo Radfahren sinnvoll ist, entscheiden also nicht die Radfahrenden, sondern Politik und Verwaltung der Autostadt Bochum. Es besteht „kein Bedarf“, weil dort niemand Rad fahren soll. Die Geschäfte rund um den Ring, für die den Autofahrern selbstverständlich Parkplätze vorgehalten werden, sind also nichts für Radfahrer – selbst wenn es Fahrradgeschäfte sind. Das neue Justizzentrum am Ostring: Mit Parkhaus für Autofahrer, aber kein Ziel für den Radverkehr?

Eine Ausstattung des kompletten Innenstadtrings mit Radverkehrsanlagen ist … nicht erforderlich, da die Innenstadt selbst mit dem Fahrrad derzeit schon gut durchfahren werden kann und dadurch von den Radfahrenden Umwege vermieden werden können… Das Radkreuz bietet eine kürzere und schnellere Wegeverbindung durch die Bochumer Innenstadt.“

Wer Umwege vermeiden will, muss – je nach Fahrtroute – gerade den Weg durch die Innenstadt vermeiden. Das Radkreuz hat also unausgesprochen den Zweck, den Innenring für den Autoverkehr frei von Radfahrern zu halten. Hauptverkehrsstraßen sind nicht zufällig Hauptverkehrsstraßen und deshalb auch Hauptverkehrsstraßen des Radverkehrs.

Der kürzeste und direkteste Weg vom Westpark zum Musikforum, Schauspielhaus und Hauptbahnhof führt über die Rottstraße und die Humboldtstraße oder den Südring.

Für die Attraktivität von Wegeverbindungen ist nicht allein die Streckenlänge entscheidend, sondern auch die Frage, ob man da „einfach geradeaus“ fahren kann. Jeder Wechsel in der Führungsform, jede Verschwenkung, jeder Konfliktpunkt zählt. Jeder Linksabbiegevorgang ist eine empfindliche Störung, besonders wenn es keine komfortable und sichere Radverkehrsführung gibt.

Auch die in Planung befindliche Veloroute 1 nach Riemke Markt muss über den Nordring führen. Ohne Radwege?

Wie sollen die Wohnhäuser am Ring und an die Wohngebiete an der Außenseite des Rings angebunden werden (z.B. Johanniterstraße)? Wie soll man die Augusta-Krankenanstalten an der Bergstraße erreichen?

Es zeigte sich, dass prioritär auf dem Südring zwischen der Viktoriastraße und der Universitätsstraße eine hohe Nachfrage besteht und damit eine sichere eine Radverkehrsführung notwendig wäre … Diese Untersuchungen laufen derzeit.

Nun, das war spätestens seit 1988 bekannt, bei genauerem Hinsehen aber schon 1945. Warum sonst hatte nicht nur der Südring bis 1962 Radwege?

Die Erfahrungen u.a. aus der Planung für die Bochumer Radialen … und den Vorarbeiten zur Planung des Südrings haben gezeigt, dass die Integration von Radverkehrsanlagen mit den bestehenden Nutzungskonkurrenzen zum Kfz-Verkehr, dem Baumbestand und den vorhandenen Leitungstrassen in der Regel nur mit einem hohen baulichen Aufwand zu realisieren ist.“

Der hohe bauliche Aufwand ist erforderlich, wenn man dem Erhalt des – vermeintlichen – Besitzstands des Autoverkehrs Priorität einräumt. Hier sieht man, woher der Wind weht. Wenn Bäume gefällt werden, sind die Radfahrer schuld und der ÖPNV wird nicht vom motorisierten Verkehr behindert (Staus), sondern wiederum vom Radverkehr – dabei bedeutet mehr Radverkehr weniger Stau.

Leider können die Standorte der in der Vergangenheit gepflanzten Bäume bei Neuplanungen selten übernommen werden, da der gesamte Straßenraum neu aufgeteilt werden muss. Zudem kann es, selbst wenn der Standort gehalten werden kann, durch die Baumaßnahmen häufig zu einer Schädigung der Wurzeln kommen. Auch der Buslinienverkehr kann durch die Neuaufteilung des Verkehrsraums dahingehend beeinträchtigt werden, dass durch den Wegfall von Kfz-Fahrstreifen hohe Fahrtzeitverluste entstehen können.“

Gar nicht erst im Blick hat die Stadt Bochum, dass fast alle Kreuzungen am Innenring umgebaut werden müssen, um die Erreichbarkeit der Innenstadt für den Radverkehr einfach, sicher und komfortabel zu machen. Selbst da, wo es bereits durchgehende Radwege gibt, sind die Radwege mangelhaft und nicht verkehrssicher (Dorstener Straße und Herner Straße).

Wer geradeaus fahren will, muss einfach geradeaus fahren können, ohne Fahrstreifenwechsel und ohne Wechsel in der Radverkehrsführung (Viktoriastraße!) und Linksabbiegen muss genauso einfach und sicher werden wie Rechtsabbiegen (Wittener Straße, Universitätsstraße, Viktoriastraße).

Alles kein Problem?
Testaufgabe 1: Von der Viktoriastraße links abbiegen in die Rottstraße.
Testaufgabe 2: Von der Wittener Straße links abbiegen zum Hauptbahnhof oder zur Universitätsstraße.
Testaufgabe 3: Von der Brüderstraße zur Luisenstraße und umgekehrt.
Testaufgabe 4: Vom Südring links abbiegen in die Viktoriastraße.

Der Kommunalwahlkampf 2025 lässt schon jetzt grüßen.
Das Radkreuz kann den Innenring nicht ersetzen.

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