Im Januar 2006 wurde die neue Haltestelle Rathaus der Straßenbahnlinie 306/316 in Betrieb genommen. Die Gleise führen seitdem aus der Haltestelle in spitzem Winkel auf die Fahrbahn der Hans-Böckler-Straße. Schon in der Planungsphase wurde das bei einem Termin mit den Planern als Problem erkannt und benannt. Die lapidare Auskunft war: Radfahrer können über die Wendeschleife fahren. Das erkennt aber niemand und das Ausweichen nach rechts ermuntert andere Fahrzeugführer an genau dieser Stelle zum Überholen. Also versuchen alle Rad und E-Scooter fahrenden, die Gleise spitzwinklig zu queren. Das führt unweigerlich zu Stürzen und Unfällen, besonders bei Nässe.
Foto von 2016:
Im spitzen Winkel das Gleis queren. Mit schmalen Reifen oder kleinen Rädern ein großes Risiko.
Stürze sind an der Tagesordnung.
Erst 2021 hat die Verwaltung eine Planung vorgelegt, an der Querung ein Velogleis mit einem Gummiprofil in den Schienen zu verlegen. Vorher hatte die Verwaltung diese Lösung abgelehnt.
2023 wurde der Plan wieder aufgegeben. Das Velogleis habe sich nicht bewährt. Das ist nachvollziehbar. Viele andere Städte haben es versucht und sind gescheitert.
„Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) haben seit 2013 Forschung und Praxistests für velosichere Gleise, in den letzten Jahren gemeinsam mit der ETH Zürich durchgeführt. Laut einer schriftlichen Auskunft des verantwortlichen Leiters der Projektbetreuung der VBZ vom 16.4.2021 wurden dort letztes Jahr alle Versuche und Forschungsarbeiten zum Thema abgebrochen:
2020 kam man zur Einsicht, dass eine technisch-wirtschaftlich vertretbare Lösung aktuell noch nicht gefunden wurde. In den letzten 100 Jahren wurden über 50 Lösungen patentiert, keine dieser Lösungen hatte sich jedoch etabliert.„
https://www.neinzurstadtbahn.de/nein-zur-iss-tübingen/fakten-09-fahrradsichere-gleise/
Allerdings steht schon seit 2010 in den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA), wie das Problem zu lösen ist:
„Bei der Führung des Radverkehrs ist die spitzwinklige Überquerung von Straßenbahngleisen zu vermeiden. Ab einem Winkel von 50 gon [45°] oder mehr ist die Überquerung von Rillenschienen problemlos möglich. Wo Überquerungen der Gleise obligatorisch sind, z. B. vor Haltestellenkaps, können Überquerungsstelle und Überquerungswinkel durch Markierungen verdeutlicht werden.“ (ERA S. 30)
Ungefähr in diesem Winkel (45°) kann man die Gleise sicher queren.
Allerdings muss man dazu vorher nach rechts in die Wendeschleife ausweichen.
(Foto von 2019)
Der Kreidestrich verdeutlicht die ungefähre Fahrlinie. An dieser Stelle müsste die Furt über die Gleise markiert sein.
Die Fahrbahnmarkierung ist alles andere als hilfreich.
(Foto von 2020, Situation 2024 unverändert)
Die Verwaltung wusste also seit etwa 15 Jahren, wie die Lösung aussieht. Aber erst 2023 hat die Verwaltung eine entsprechende Planung vorgelegt:
„Im weiteren Verlauf über die heutige Wendeanlage werden Radfahrende in der Planung baulich gesichert in stumpfem Winkel über die Gleise geführt. Eine Signalisierung des Radverkehrs ist nicht notwendig, die zu querenden Stelle wird bereits heute von Radfahrenden genutzt. Die Vorfahrt ist eindeutig geregelt. Hinter der Querung sortieren sich Radfahrende in den, inzwischen deutlich reduzierten, Verkehr auf der Hans-Böckler-Straße ein. Der Asphalt wird im Bereich der Querung großflächig rot eingefärbt.“
Am 19.1.2023 hatte ich das in einem GO24-Antrag gefordert:
„Die WAZ berichtete am 18.01.2023 unter der Überschrift „Gummilippen in Straßenbahngleisen: Droht Kostenexplosion?“ über die geplante Baumaßnahme an der Hans-Böckler-Straße. Die förderbaren Gesamtkosten der Baumaßnahme liegen laut WAZ bei 351.450 Euro. Die Umsetzung ist nicht absehbar.
(19. Januar 2023)
Sofort umsetzbar zu sehr geringen Kosten ist aber die in den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) vorgesehene Lösung . . .
Das einzige was wirklich gemacht werden muss, ist also die Markierung einer Radverkehrsfurt, die im Winkel von 45° über die Straßenbahngleise führt.
Vor der Querungsstelle ist Raum neben der äußeren Schiene mit etwa 1,45 m breit genug zum Radfahren. Eine Verbreiterung ist nur erforderlich, wenn Straßenbahnen und Bussen auf diesen etwa 150 Metern das Überholen ermöglicht werden soll. Das erscheint aber aus Sicherheitsgründen nicht sinnvoll, erst recht nicht für Gelenkbusse, die sich den Straßenraum mit dem Radverkehr teilen. . .
Ich schlage daher vor, die Baumaßnahme durch eine einfache Furtmarkierung zu ersetzen, ggf. in Kombination mit einem Überholverbot (Zeichen 277.1)“
Geschehen ist bis heute (18.02.2024) nichts. Aber gestern ist es genau an dieser Stelle aus genau diesem Grund zu einem Unfall gekommen, bei dem ein Radfahrer schwer verletzt wurde.
Es wäre so einfach zu verhindern gewesen. Unfallverursacher ist die Stadt Bochum.