Zu schön, um wahr zu sein: Wer davon träumt, auf der Viktoriastraße einfach nur geradeaus fahren zu können, wird bitter enttäuscht. Eigentlich sollte es das Einfachste von allem sein: Auf einer Straße geradeaus fahren. Die Realität sieht anders aus.
Die Viktoriastraße gilt seit dem »Pilotprojekt Radwege- und Beschilderungsplan Bochum« von 1988 als Paradebeispiel dafür, wie es nicht geht.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Viktoriastraße hat auch im Jahr 2024 in keiner Fahrtrichtung durchgehende Radwege. 36 Jahre waren nicht genug. »Langfristig« bekommt hier eine ganz neue Perspektive.
Ich betrachte hier die Strecke zwischen Schauspielhaus und Husemannplatz, auch wenn die Straße bis zur Bahnbrücke noch »Königsallee« heißt.
Die »Radverkehrsführung« vom Schauspielhaus aus:
- Fußgängerzone (Hans-Schalla-Platz)
- Gehweg, Radfahrer frei
- Anderer Radweg (ohne Benutzungspflicht)
- Radfahrstreifen (ohne Benutzungspflicht)
- Gehweg, Radfahrer frei
- Anderer Radweg (ohne Benutzungspflicht) bis Südring
- Anderer Radweg (ohne Benutzungspflicht) ab Südring
Die Strecke ist nicht einmal einen Kilometer lang, wechselt aber fünfmal die Führungsform. Dabei ist Gehweg, Radfahrer frei gar keine Radverkehrsführung, sondern nur eine Art Notausgang. Jeder Radweg müsste einen ordentlichen Radweganfang und ein ordentliches Radwegende haben, um einen einfachen und sicheren Übergang von der Fahrbahn zum Radweg und umgekehrt zu haben. Gibt es hier nicht.
Das Video zu den folgenden Screenshots kann man sich auf Youtube ansehen.
Alternativ auch die Fahrt auf der Fahrbahn. Mit dem Auto kann man da auch nur früher an der roten Ampel sein.
Die »Radverkehrsführung« Richtung Schauspielhaus:
- Anderer Radweg (ohne Benutzungspflicht) bis Südring
- Anderer Radweg (ohne Benutzungspflicht) ab Südring
- Radfahrstreifen (mit Benutzungspflicht)
- Anderer Radweg (ohne Benutzungspflicht)
- „Geschützter“ Radweg (ohne Benutzungspflicht)
Hier gibt es beinahe durchgehende Radwege, aber mehrfach fehlen Radweganfang oder -ende.
Ist das eine Falle?
Beginn des Radfahrstreifens vor dem Musikforum. Radfahrende, die sich auf der Fahrbahn befinden, müssen an der engsten Stelle, behindert durch zwei Baken, im Slalom auf den Radfahrstreifen fahren. Zusätzlich kommen von rechts Radfahrende, die vorher vom Südring her dem »Radweg« gefolgt waren. Wer hat hier Vorfahrt?
Am Südring führt die Furt über die Kreuzung ins Nichts, genauso auch die Furt über die Hattinger Straße.
Radwege für Akrobaten
Abgesehen davon sind die vorhandenen Radwege in einem grausam schlechten Zustand. So gut wie nie werden die Mindeststandards eingehalten. Teilweise sind akrobatische Fähigkeiten nötig, um dem »Radweg« überhaupt folgen zu können.
Es gibt sehr viele gefährliche Konfliktstellen mit dem Fußgängerverkehr. Auch wegen völlig ungenügender Gehwegbreiten.
Einfach nur geradeaus – auf der Fahrbahn
Wer einfach nur geradeaus fahren will, muss die Fahrbahn benutzen – und wird dann von Autofahrern terrorisiert. Die Hinweisschilder »Radfahrende dürfen auch die Fahrbahn nutzen« nützen nichts. Selbst die Polizei erfindet neue Regeln um Radfahrende von der Fahrbahn zu verdrängen.
Und was man nicht sieht: Links abbiegen geht gar nicht
Für die Nahmobilität ist die Durchlässigkeit des Straßensystems entscheidend. Die fehlt hier vollständig.
Wer der von der Stadt Bochum vorgesehenen Chaos-Route folgt, kann an keiner Stelle nach links abbiegen. Zwischen Schauspielhaus und Südring hat die Viktoriastraße neun Nebenstraßen. Alle sind abgeriegelt.
Auf der Westseite:
- Clemensstraße
- Alte Hattinger Straße
- Am Kulturgleis
- Humboldtstraße
- Marienplatz
- Südring / Rottstraße
Testaufgaben:
Vom Radweg aus links abbiegen in die Humboldtstraße
Vom Radweg aus am Südring links abbiegen Richtung Rottstraße
Auf der Ostseite:
- Clemensstraße
- Kronenstraße
- Konrad-Adeneuer-Platz (Kortumstraße, Brüderstraße)
- Kerkwege
Vom Schauspielhaus zum Dr-Ruer-Platz?
Es gibt von der Viktoriastraße aus eine klare Route zum Dr.-Ruer-Platz in der Innenstadt über Kortumstraße – Brüderstraße – Luisenstraße. Befahrbar ist sie nicht. Wer von der Brüderstraße aus zum Schauspielhaus will, müsste durch die Kerkwege fahren und am Ende in die Viktoriastraße links abbiegen. Geht aber nicht. Der Weg über die Kortumstraße ist auch verboten: Fußgängerzone.
Querungen der Viktoriastraße:
- Clemensstraße: in beiden Richtungen nicht möglich.
- Alte Hattinger Straße / Kronenstraße: in beiden Richtungen nicht möglich
- Marienplatz / Kerkwege: in beiden Richtungen nicht möglich
Hoffen auf den RS1
Die Querung der Königsallee von der Clemensstraße aus wird wahrscheinlich »langfristig« möglich werden: Der RS1 wird hier entlang führen und muss bevorrechtigt über die Königsallee geführt werden. Das wird spannend. Swarco hat in Kopenhagen und anderswo vorgeführt, wie das geht: »Green Wave«.
Die Verwaltung findet das alles in Ordnung. Ich fahre weiter auf der Fahrbahn.