Teil 1: Benutzungspflichtige, aber nicht benutzungspflichtige Radwege
Teil 2: Wattenscheider Straße – Hansastraße: 40 Mängel und die Antworten der Verwaltung
Teil 3: Wattenscheider Straße – Hansastraße: Die Entscheidung
Die Radwegbenutzungspflicht wird durch die Zeichen 237, 240 oder 241 angeordnet: Ein blaues Schild mit einem weißen Fahrrad-Symbol.
Aber auch wenn eines dieser Schilder aufgestellt wurde, ist der Radweg nicht notwendigerweise benutzungspflichtig. Es gibt zwei Ausnahmen:
Nur fahrbahnbegleitende Radweg können überhaupt benutzungspflichtig sein. Das leuchtet sofort ein, wenn man an Radwege durch Grünanlagen oder Bahntrassenwege denkt. Ein beschilderter Radweg muss parallel zu einer Fahrbahn verlaufen und darf nicht mehr als fünf Meter von der Fahrbahn abgesetzt sein.
Die Benutzung des Radwegs muss möglich und „zumutbar“ sein. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Bedingungen, die so kompliziert sind, dass die Zumutbarkeit in jedem Einzelfall vor Gericht geklärt werden muss.
Beispiele für unbefahrbare oder unzumutbare Radwege
- Wenn Radwege nicht in die Richtung führen, in die ein Radfahrer fahren möchte, darf und muss wieder die Straße befahren werden.
- Wenn der Radweg mit Schnee bedeckt ist, während die Fahrbahn geräumt wurde, ist er nicht benutzbar.
- Sind die Radwege zugeparkt, zugestellt, blockiert oder werden sie durch Fußgänger genutzt, kann der nicht nutzbare Abschnitt durch Nutzung der Fahrbahn umgangen werden.
- Ist die Fahrbahn des Radwegs auch bei angepasster oder langsamer Fahrweise, beispielsweise durch Belagschäden, nicht befahrbar, ist die Nutzung nicht zumutbar.
- Auch ein ständiger Wechsel zwischen rechts- und linksseitigem Radweg kann unzumutbar sein, wenn dadurch ein erhöhtes Risiko eines Fahrradunfalls entsteht.
Was heißt „unzumutbar“?
„Unzumutbar“ kann man vielleicht am besten daran festmachen, ob der Zustand durch angepasstes Fahren nicht mehr in den Griff zu bekommen ist. Dieses Kriterium schließt damit auch die Benutzungspflicht kurzer Stecken linksseitigen Radwegs aus, weil die dazu notwendige Querung der Fahrbahn eine erhebliche Gefahrenquelle darstellt.
Ist der Radweg alle paar hundert Meter unbenutzbar, muss er auf der ganzen Strecke nicht befahren werden, weil ein ständiger und nicht gerade ungefährlicher Wechsel zwischen Radweg und Fahrbahn nicht zugemutet werden kann.
[https://www.bussgeldkatalog.org/radweg/
http://bernd.sluka.de/Radfahren/rechtlich.html
Wolfgang Strobl kennt 50 Gründe, warum man beschilderte Radwege nicht benutzen kann oder muss.
Ein besonders gelungenes Bochumer Beispiel
Es gibt also viele Möglichkeiten, auf fahrbahnbegleitende, ausgeschilderte und trotzdem nicht benutzungspflichtige Radwege zu treffen. Ein besonders gelungenes Bochumer Beispiel führe ich hier vor:
Der Weg von der Alleestraße über Wattenscheider Straße und Hansastraße Richtung Wattenscheid und Günnigfeld.
Es ist praktisch nicht möglich, diesen Weg mit dem Rad StVO-konform zu befahren. Weder konsequentes Fahren auf der Fahrbahn noch konsequente Beachtung der Beschilderung führen zum Ziel.
Hier sind 40 Mängel auf dem 2,8 km langen Abschnitt. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
20 Mängel Richtung Wattenscheid
Alleestraße:
lebensgefährliche Überleitung auf die Fahrbahn oder Nutzung des unbefahrbaren Gehwegs. Die Situation besteht mindestens seit 2003.
Aus der Gegenrichtung (Kohlenstraße und Essener Straße) ist der Gehweg gar nicht erst freigegeben.
Wattenscheider Straße:
Der benutzungspflichtige Radweg ist von der Fahrbahn gar nicht erreichbar.
Der Radweg endet im Nichts. Es ist nicht einmal feststellbar, wo der Radweg endet. Es gibt keine Verbindung zu dem parallelen Radfahrstreifen.
Hinter der Einmündung Gahlensche Straße ist der Radweg nicht benutzungspflichtig (kein Schild)
Da, wo die Benutzungspflicht beginnt, gibt es gar keine Verbindung zur Fahrbahn.
Der Radweg endet im Nichts an einer Ortsfahrbahn, die per se nicht benutzungspflichtig sein kann (sonst müsste ja auch jeder Autofahrer die Ortsfahrbahn benutzen statt der Wattenscheider Straße).
Dem Radfahrer, der ja auf dem Radweg die Vorfahrtsstraße befährt, wird unversehens die Vorfahrt genommen. Obwohl er einfach geradeaus fährt, haben Autofahrer sowohl von rechts wie von links kommend Vorfahrt.
Die Ortsfahrbahn ist Teil einer Tempo-30-Zone, es gilt rechts vor links. Die Wattenscheider Straße ist aber Vorfahrtsstraße.
Am Ende der Ortsfahrbahn an der Goldhammer Straße muss der Radfahrer sowohl nach rechts abbiegen (da will er gar nicht hin), als auch geradeaus einem nicht vorhandenen Radweg folgen. Gegenüber gibt es auch keinen Radweg, nur einen freigegebenen Gehweg. Aber selbst der ist nicht legal erreichbar. Die Situation besteht so mindestens seit 2009.
Es gibt am Ende der Ortsfahrbahn keine Überleitung auf die Fahrbahn der Wattenscheider Straße.
Bis hierhin wäre allein die konsequente Nutzung der Fahrbahn der Wattenscheider Straße (und des kurzen Radfahrstreifens vor der Gahlenschen Straße) zumutbar, aber das ist schlechterdings nicht erkennbar. Es gibt an der Kreuzung mit der Gahlenschen Straße keine Überleitung auf die Fahrbahn.
Im Bereich der Autobahndreiecks Bochum West gibt es einen benutzungspflichtigen Zwei-Richtungs-Geh-und-Radweg.
Es gibt keinen Radweganfang. Der Wechsel von der Fahrbahn auf den Radweg ist sehr gefährlich, daher unzumutbar.
Auf dem Radweg ist der notwendige Sicherheitstrennstreifen zur Fahrbahn nicht erkennbar.
Es gibt in Höhe der A40 eine gefährliche Engstelle auf dem Radweg.
An der Darpestraße ist nicht erkennbar, wie es überhaupt weitergehen soll. Es gibt kein Radwegende. Es gibt keine Beschilderung, die auf die gegenüberliegende Straßenseite verweisen würde.
Parallel zu Hansastraße gibt es einen beschilderten Geh- und Radweg. Der kann aber nicht benutzungspflichtig sein, weil er weit von der Hansastraße abgesetzt ist und zur Centrumstraße führt.
An der Centrumstraße ist der Radweg unterbrochen.
Das Gelände der Firma Terberg an der Hansastraße ist von dem Radweg aus nicht erreichbar.
Der Radweg endet im Nichts. Am Kreisverkehr ist die Radverkehrsführung nicht erkennbar.
Wenn man auf der Hansastraße mit dem Fahrrad ordnungsemäß auf der Fahrbahn fährt, wird man von Autofahrern terrorisiert, die die Straße als ihr Eigentum betrachten. Überholen ist legal bis zum Kreisverkehr in der Regel nicht möglich.
20 Mängel Richtung Bochum
Am Kreisverkehr endet der Radfahrstreifen im Nichts. Genauer: Der Radfahrstreifen endet auf einem Gehweg, der nicht befahren werden darf.
Vom Kreisverkehr aus ist der Radweg Richtung Centrumstraße nicht erreichbar.
An der Centrumstraße ist der Radweg unterbrochen. Der verbindende Gehweg darf nicht befahren werden.
An der Darpestraße ist nicht erkennbar, wie es weitergehen soll. Es gibt rechts eine Beschilderung als Zwei-Richtungs-Geh-und-Radweg. Aber es gibt an dieser Stelle drei Richtungen!
Zwischen dem Zwei-Richtungs-Geh-und-Radweg von der Centrumstaße her und dem Zwei-Richtungs-Geh-und-Radweg am Autobahndreieck gibt es keine Verbindung.
Die Wartezeiten an den zwei Querungen sind unzumutbar lang und die Querungen werden nur auf Anforderung frei gegeben: Zwei Bettelampeln.
Am Ende des Zwei-Richtungs-Geh-und-Radwegs gibt es ein Schild, das auf einen Radweg auf der gegenüberliegenden Seite verweist. Aber es gibt da keinen Radweg.
Die zweite Hälfte der Querung ist nur für Fußgänger.
Es gibt keine Überleitung auf die alternativlose Fahrbahn der Wattenscheider Straße.
Das Abbiegen auf die Fahrbahn ist wegen der Straßenbahngleise in der Fahrbahn lebensgefährlich.
Richtung Gahlensche Straße gibt es überhaupt keine Radverkehrsführung.
An der Kreuzung Gahlensche Straße ist nicht erkennbar, wie Radfahrer in die Gahlensche Straße oder zur Jahrhunderthalle abbiegen sollen.
Der Radfahrstreifen an der Wattenscheider Straße hat keinen Anfang.
Der Radfahrstreifen an der Wattenscheider Straße hat kein Ende. Er führt auf einen Gehweg.
Es gibt keine Überleitung auf die Fahrbahn.
Der freigegebene Gehweg ist nicht sicher befahrbar.
An der Kreuzung Alleestraße gibt es keine Ausleitung von dem freigegebenen Gehweg auf die Aufstellfläche.
Es gibt keine Radverkehrsführung Richtung Kohlenstraße.
Die vierstreifige Alleestraße hat keine Radverkehrsführung. 1950 war das noch anders. (Bild: Stadt Bochum, Bildarchiv)
Radfahrer werden durch die unmittelbar an der Fahrbahn parkenden Autos zusätzlich gefährdet.
Die Befahrung als Video bei Youtube:
Fahrtrichtung Wattenscheid: https://youtu.be/Nk1QG_pFdJA
Fahrtrichtung Bochum: https://youtu.be/e6f3H0nPghk
Ich habe bei der Stadt Bochum eine Anregung nach § 24 Gemeindeordnung NRW eingereicht, mit dem Vorschlag, die 40 Mängel zu beseitigen …
1. Ich kenne die angegebenen Beispiele aus inzwischen 6-7 Jahrzehnten eigener Raderfahrung in Wattenscheid und Bochum und kann leider nur nachdrücklich zustimmen.
2. Die Beispiele sind klar, überzeugend und auf den Punkt gebracht. Die Ablehnung im Ausschuss spricht ohne Begründung für sich.
3. Ich würde gerne einmal die Ausschussmitglieder zu einer Besichtigungsfahrt etwa von Höntrop ins Bochumer Zentrum einladen, ich würde schriftlich viele Seiten brauchen um die dann selbst nachzuvollziehenden Gefahrenpunkte alle zu beschreiben. Ich denke dabei z.B. an 3 ziemlich verschiedene Routen
– über die Essener-/Alleestrasse
– über das sogenannte Parkband West
– über Eppendorf, Schützenstrasse und Hattinger Strasse
4. keine der Routen bis etwa zum Bochumer HbF (7km) ist im derzeitigen Zustand eine wenigstens zeitliche Alternative, nicht mal zum ÖPNV. Die S-Bahn von Höntrop zum Hbf benötigt 5 Min, mit dem Rad braucht man selbst im sportlichen Modus 18-20 min (d.h. 20er Schnitt im Stadtverkehr!).
5. Das Warten auf den Radschnellweg ist keine Lösung, dieser ist als Weg in die Innenstadt zumindest für Höntroper viel zu abseits. Eine Besserung durch Fertigstellung im Innenstadtbereich mit direkten Wegen ist auch nicht in Sicht.
Das ist schon ein Skandal, dass hier manche Mängel seit 20 Jahren in der beschriebenen Form bestehen, ohne das sich daran etwas ändert.
Auch das ist mal wieder ein gutes Beispiel dafür, dass kein Verkehrsplaner und kein Sesselpupser der Stadt das jemals so mit dem Rad selbst gefahren ist.