Der Elefant im Raum
»Das Radkreuz sind Radwegeverbindungen innerhalb des Innenstadtringes, die die Cityradialen und zukünftig auch die Velorouten auf kürzestem Weg verbinden.«
Mitteilung der Verwaltung Nr.: 20231681 vom 27.06.2023
In der Autostadt Bochum – seit 1962 – muss man bei jedem Projekt zuerst fragen: Wie nützt das der Autostadt?
Das Prestigeprojekt Bochumer Radkreuz scheint ganz für den Fahrradverkehr entworfen. Wie sollte der Autoverkehr davon profitieren?
In diesem Fall ist die Antwort naheliegend: Das Radkreuz soll den Innenring vom Radverkehr freihalten und so den Autoverkehr beschleunigen. Vor 1962 hatte der erst nach 1945 geschaffene Innenring selbstverständlich Radwege. 1962 wurden die Radwege in der Innenstadt flächendeckend zu Kfz-Parkstreifen umgewidmet. Dafür waren sie zwar nicht breit genug, wie man am Südring bis heute täglich beobachten kann, aber geparkt wird trotzdem.
Der Südring braucht trotz Radkreuz wieder Radwege
Zähneknirschend musste die Stadt Bochum immerhin anerkennen, dass das Radkreuz Radwege am Südring nicht ersetzen kann. Von der Rottstraße, Humboldtstraße und Universitätsstraße aus ist das Radkreuz schlicht nicht erreichbar. Dasselbe gilt übrigens auch für das neue Justizviertel am Ostring. Also braucht der Südring von der Rottstraße bis zur Wittener Straße und der Ostring mindestens bis zur Josef-Neuberger-Straße Radwege – mit oder ohne Radkreuz.
Die Stadt Bochum hat in Zusammenhang mit dem Radkreuz einige Reparaturmaßnahmen geplant, die die Straßen innerhalb des Innenrings zumindest ansatzweise fahrradfreundlich machen sollen.
Was gefährlich ist bleibt gefährlich – trotz Radkreuz
Das ist bitter nötig, denn zum Beispiel die Brückstraße und die Dorstener Straße bis zum Westring sind trotz Radfahrstreifen verkehrsgefährdend für den Radverkehr: Die Radfahrstreifen sind zu schmal und die notwendigen Sicherheitstrennstreifen zu den Kfz-Parkständen sind gar nicht vorhanden. Das muss zuallererst in Ordnung gebracht werden – aber die »fahrradfreundliche Stadt« Bochum tut nichts.
Da der Platz nicht reicht – die Straßenbahnhaltestelle liegt in der Straßenmitte – müssten die Parkstreifen zwischen Hans-Böckler-Straße und Westring aufgehoben werden.
»Eine Kombination von Mindestbreiten für Kfz-Fahrstreifen, Radfahrstreifen und Parkstreifen ist unbedingt zu vermeiden.«
ERA 2010 S. 24
Das gilt erst recht, wenn zusätzlich auch noch der notwendige Sicherheitstrennstreifen völlig fehlt.
Damit würde aber die heilige Kuh angetastet: Der motorisierte Individualverkehr (MIV).
Dementsprechend ist dort – trotz Radkreuz – gar keine Veränderung geplant.
Es ist ein Kreuz mit dem Radkreuz.
Bis jetzt sind drei kleinere Maßnahmen bereits durchgeführt:
Nr. 2: Die Kreuzung am Rathaus wurde umgebaut – Für den Busverkehr, nicht für den Radverkehr. Das Gefahrenpotential durch die versetzten Einmündungen und die problematischen Kreuzungswege für Linksabbieger bleiben unangetastet.
Die Drehscheibe im Zentrum des Radkreuzes müsste ein Kreisverkehr sein. Das wurde scheinheilig abgelehnt, wegen des Busverkehrs im Radkreuz.
Wer profitiert? Die Busfahrer.

Nr. 4: Die Große Beckstraße wurde zwischen Boulevard und Brückstraße umgestaltet. Das Kleinpflaster wurde entfernt, aber die Straße darf keine sein, sondern muss eine Fußgängerzone bleiben. Das bedeutet: Der Fahrradverkehr wird auf Schrittgeschwindigkeit reduziert und an beiden Enden gibt es keine Vorfahrt für Fahrräder. Wer aus einer Fußgängerzone kommt, hat allen anderen Verkehrsteilnehmern Vorfahrt zu gewähren.
Das Radkreuz als Fußgängerzone? Überall sonst gilt Tempo 20.
Wer profitiert? Der MIV auf der Brückstraße.
Nr. 3: An der Hans-Böckler-Straße, Fahrtrichtung Rathaus, wurde einseitig ein neuer Radweg gebaut. Vorgeblich, um die Schienenquerung nach 18 Jahren für Fahrräder sicher befahrbar zu machen. Es ist ein Radweg für Busse und Straßenbahnen: Die Radfahrer wurden in den Seitenraum verdrängt und ihnen wurde die Vorfahrt genommen. Nicht einmal eine Furt über die Straßenbahngleise wurde markiert. Und auf die Busse und Straßenbahnen von links und rechts müssen die Radfahrer jetzt auch noch selbst achten. Für sie gibt es keine Ampel mehr, nicht einmal einen Gefahrenhinweis.
Radfahrer müssen die Vorfahrt aller anderen achten, obwohl sie einfach nur geradeaus durch das Radkreuz fahren.
Wer profitiert? Busse und Straßenbahnen.
Im Maßnahmenkatalog gibt es nur eine tatsächlich fahrradfreundliche Maßnahme – wenn sie denn tatsächlich wie geplant ausgeführt wird:
Nr. 6: Die Bushaltestelle Bochum Hbf/Boulevard soll beidseitig Radwege erhalten, damit Radfahrer ohne Konflikte mit Bussen oder Fußgängern auf dem Boulevard fahren können. Geplant ist ein Umbau ab 2025. Die »überdimensionierte Tiefgaragen-Zufahrt« (WAZ, 2008) soll nach zwanzig Jahren endlich schmaler werden. Warum hat man das Auto-Einfallstor »Blaues Loch« nicht schon 2006 so gebaut?
20 Jahre für ein Quentchen Vernunft?
Was ich mir wünsche ist ein Radkreuz, das für Radfahrer – also aus der Perspektive des Radverkehrs – geplant und gebaut wird. Für Bochum wäre das etwas ganz Neues.