Bochums erste Veloroute ist nicht die Veloroute #1. Im Gegensatz zur Veloroute #1, die immer mehr zu einem schlechten Witz verkommt (Veloroute #1: Pilotprojekt oder Wahlkampf?), ist die Veloroute #11 bereits halb fertig und in der ersten Ausbaustufe in wenigen Tagen befahrbar.
Die Veloroute #11 verbindet die Bochumer Innenstadt (das Radkreuz) mit Essen Süd (Steele).
Sie besteht aus Alleestraße, Essener Straße und Wattenscheider Hellweg.
Momentan im Bau ist der erste Abschnitt der Alleestraße vom Westring bis Bessemer Straße / Westpark und der Abschnitt von Goldhamme bis zum Zeppelindamm. Der Komplettausbau der Alleestraße wird noch viele Jahre dauern – an der Herner Straße waren es am Ende 15 Jahre. Auf Essener Straße und Wattenscheider Hellweg geht es dagegen blitzschnell und sehr kostengünstig. Innerhalb von einem Monat soll alles fertig sein (8.4. bis 5.5.2024). Im Wesentlichen werden nur die Markierungen auf der Fahrbahn verändert. Ausgeklammert werden aber die Kreuzungen. Das hat zur Folge, dass man zwar sehr gut geradeaus fahren kann, aber links abbiegen bleibt so schwierig, wie es schon vorher war.
Selbst wenn beide Baumaßnahmen abgeschlossen sind, klaffen weiterhin große Lücken in der Veloroute.
Das betrifft vor allem die großen Kreuzungen:
Für die komplexe Kreuzung Alleestraße – Wattenscheider Straße – Essener Straße – Kohlenstraße mit der Straßenbahnhaltestelle mittendrin gibt es nicht einmal eine Planung. Genauso wenig für die Großkreuzung am anderen Ende: Wattenscheider Hellweg – Berliner Straße – Zeppelindamm. Beide sind für Radfahrer de facto aus und in die kreuzenden Straße nicht befahrbar, zum Beispiel vom Zeppelindamm in die Berliner Straße oder von der Kohlenstraße in die Wattenscheider Straße.
Erst recht gilt das für die Linksabbieger aus allen vier Kreuzungsarmen.
Die Veloroute ist also erst dann fertig, wenn sie durchgehende Radwege / Radfahrstreifen hat und das Linksabbiegen an allen Kreuzungen kinderleicht – das heißt für zehnjährige Kinder ganz allein gefahrlos machbar ist.
Bis dahin haben wir nur neue Lücken im Bochumer Radverkehrsnetz.
Immerhin werden jetzt einige der berüchtigtsten Fallen auf Bochumer Radwegen nach mehr als 16 Jahren Wartezeit beseitigt. So schnell geht das in Bochum. Noch 2009 haben sich Verwaltung und Polizei bei der ersten und einzigen Radverkehrsschau mit Beteiligung des ADFC Bochum strikt geweigert, diese Gefahrenstellen zu beseitigen.
Die Radfahrstreifen auf der Essener Straße und dem Wattenscheider Hellweg sind aus mehreren Gründen bemerkenswert:
- Es handelt sich bei der im Bau befindlichen Strecke gemäß Radverkehrskonzept um eine Veloroute und zwar auf einer Hauptverkehrsstraße (RVK Karte 21). Die Suche nach Alternativstrecken zu den Radialstraßen kann in der Regel nicht von Erfolg gekrönt sein. Sonst wären diese Alternativstrecken selbst längst Hauptverkehrsstraßen. Das war schon das Ergebnis des Pilotprojekts von 1988. Es gibt keine Alternative zum fahrradfreundlichen Gestaltung der Hauptverkehrsstraßen. Auch die Strecke von Essen bis zur Innenstadt muss kinderleicht mit dem Rad zu befahren sein – inklusive der Kreuzungen, denn das sind die gefährlichsten Stellen.
Vgl.: Veloroute #1: Pilotprojekt oder Wahlkampf? - Der Radfahrstreifen ist – anders als die WAZ schreibt – nicht xxl. Mit 2,50 m ist er schmaler als ein normaler Fahrstreifen und hat laut RVK Standardmaß.
- Der Radfahrstreifen ist nicht acht Kilometer lang, sondern gerade mal vier Kilometer (mit den unveränderten Kreuzungen).
- Die Gesamtstrecke vom Innenring bis zur Stadtgrenze Essen ist 7,7 km lang. Die geplante Strecke ist also nur die halbe Miete.
- Der lange geplante Umbau der Alleestraße hat immerhin begonnen. Aber für die großen Kreuzungen und den Abschnitt zur Stadtgrenze Essen gibt es keine Pläne.
- An einer Stelle hat das Tiefbauamt immerhin dazu gelernt:
»Im Bereich der Abfahrten zum Gewerbebetrieb Thyssen-Krupp bauliche Trennungen der Kfz-Fahrbahn und des Radweges geplant und vorgestellt worden. Diese Protected-Bike-Lane waren als doppelseitige Anordnung von Bordsteinen angedacht. Die weitergehende Planung und Erfahrung aus anderen Kommunen haben gezeigt, dass fest eingebaute Lösungen nicht die beste Variante in der Praxis ist. Daher sollen nun zur Umsetzung der Maßnahme eine Bike-Lane aus Kunststoffelementen zur Ausführung kommen. Die Protected Bike Lane soll nun mit weißen Leitschwelle und Warnbaken ausgeführt werden. Dies begründet sich in der deutlich besseren Sichtbarkeit und der vereinfachten Öffnung für Notfälle und Umbaumaßnahmen.«
(Mitteilung der Verwaltung Nr.: 20232590 vom 26.09.2023 zu Protected Bike Lanes)
Natürlich stellt sich dann die Frage, warum nicht gleich die ganze Strecke als Protected Bike Lane geplant und gebaut wurde. Immerhin darf hier mit bis zu Tempo 70 gefahren werden.
Es hätte die erste echte Protected Bike Lane in Bochum werden können. Karikaturen haben wir schon genug. - Die WAZ schreibt: »Der neue Radweg klaut Parkplätze«. Natürlich ist es umgekehrt: Autofahrer sind Straßenräuber und hier müssen die Autofahrer einmal das Diebesgut zurückerstatten. Das passiert selten genug.
Die Fotostrecken zeigt Bilder des alten Radwegs Richtung Essen aus den Jahren 2011 bis 2024. Besser geworden ist seit 2009 so gut wie nichts.
Bilderstrecke des neuen Radfahrstreifens Richtung Bochum vom 20.04.2024:
In den sozialen Medien gab es große Aufregung über den neuen Radstreifen, nachdem die WAZ berichtet hatte. Auf Facebook gibt es mehr als 115 Kommentare dazu. Das reicht von »Bochum ist sehr engagiert dabei, die autofeindlichste Stadt Deutschlands zu werden.« und »Tja, für Radfahrer wird alles getan« und »Der größte Schwachsinn überhaupt!« bis zu »Die Welt in der wir leben ist nicht nur für Autos gemacht.« und »Bitte mehr solcher Radwege.«
Samuel Nowak schreibt dort, er habe dort als Radfahrer seine eigenen Erfahrungen gemacht:
Ich bin über zehn Jahre von Höntrop über die Essener Straße zur Innenstadt gefahren. In dieser Zeit musste ich mir hunderte Gefährdungen, Nötigungen und Beschimpfungen von Autofahrern gefallen lassen, die mich mit Gewalt auf einen nicht vorhandenen Radweg drängen wollten.
Zwei Argumente waren besonders häufig:
- Radfahrer zahlen im Gegensatz zu Autofahrern keine Steuern – Schön wäre es …
- Der Radweg verursacht einen Riesenstau. Man kann aber deutlich sehen, dass der Stau durch eine neu eingerichtete Baustelle zwischen Erzstraße und Kohlenstraße verursacht wird. Der Radweg ist schon längst vorher zu Ende. Die Radfahrer stehen mit im Autostau.
Die Intelligentesten schreien immer am lautesten?
Denn: »Woraus bestehen noch Staus? Aus Radfahrern? Bitte mal nachdenken.«
Immerhin hat die Vertreterin der Autobahn GmbH neulich im AIM erklärt:
»Jeder, der nicht Auto fährt, tut uns allen gut.«