Damit man da sein Auto parken kann.
Das ist die einfachste Antwort. Den Intellektuellen unter den Autofahrern fällt ein Widerspruch auf: Warum heißen Fahrbahnen dann nicht »Parkplatz«?
Es wäre oft die naheliegendere Bezeichnung. Dann besteht die Straße aus zwei Teilen: Dem Parkraum und dem Raum für den Parksuchverkehr. Zusammen heißt das dann Fahrbahn und bezeichnet den Teil der Straße, den die Autofahrer als ihr Eigentum betrachten. Meistens sagen sie dann kurz »Straße«, wenn sie die Fahrbahn meinen. Im Hinterkopf lauert aber irgendwo noch der Gedanke, dass man nicht mit dem Auto zum eigenen Auto fahren kann. Dann fallen ihnen die Gehwege ein. Aber auch die dienen ja vorwiegend als Parkplätze. Die Autos lassen ja sonst keinen Raum zum Auto parken und das Auto könnte einen Kratzer bekommen, wenn es ungeschützt auf der Fahrbahn steht. Dann doch lieber auf dem Gehweg parken.
Warum gibt es Gehwege?
Abgesehen davon, dass Autofahrer sie zum Parken brauchen: Warum gibt es Gehwege? Weil auf der Straße – noch ohne Fahrbahn – kein Platz mehr blieb für Fußgänger und andere Hindernisse des Autoverkehrs.
Die »Via Claudia Augusta«
Die »Via Claudia Augusta« ist – historisch gesehen – eine Fernstraße. Heute wäre sie eine Autobahn. Tatsächlich ist sie ein Fernradweg. Aber »Via« verweist darauf, dass früher nicht zwischen Straßen und Wegen unterschieden wurde. »Via« bedeutete einfach »Straße«. Und »Claudia« ist keine Frau, sondern der Kaiser Augustus, der hier weibliche Form annimmt, weil »via« eben, wie »Straße« weiblich ist. »Via Claudia Augusta«: Die Straße des Claudius Augustus, eine römische Straße, die von der Adria und den Ebenen des Po über die Alpen bis zur Donau führte.
Siehe hier: https://www.viaclaudia.org/via-claudia-augusta-willkommen
Autofahrer sind Straßenräuber
Vor der Massenmotorisierung hatten Straßen (außer in Städten) keine Gehwege und keine Fahrbahnen. Straßen waren selbstverständlich für alle da. Auch Hunde, Katzen und Hühner waren auf der Straße unterwegs. Autofahrer, die ein Huhn überfuhren, waren schadenersatzpflichtig. Kinder spielten auf der Straße.
Der Autoverkehr machte dem ein Ende.
Wenn heute eine Fahrbahn wieder als Fahrbahn benutzt werden soll, geht ein Aufschrei der Empörung durch die „sozialen“ Medien. Aktuell ist das an der Essener Straße / Wattenscheider Hellweg zu beobachten.
Es handelt sich um eine vierstreifige Fahrbahn mit getrennter Trasse für die Straßenbahn. Nur dass von den zwei Fahrstreifen pro Richtung immer nur einer befahrbar war. Auf dem anderen wurde geparkt.
Mit anderen Worten: Die Fahrbahn war grotesk überdimensioniert. Jetzt hat sich die Stadt Bochum endlich daran gemacht, den rechten Fahrstreifen in einen Radweg (Radfahrstreifen) umzuwandeln. Das Radverkehrskonzept vom Mai 2023 sieht dafür eine Breite von 2,50 m vor. Davon muss man den Breitstrich zur Fahrbahn (25 cm) und den Rinnstein mit den Gullis abziehen. Netto ist der Radweg also nur zwei Meter breit und erlaubt daher das Überholen oder ggf. Nebeneinanderfahren von Radfahrern. Überdimensioniert ist das also nicht. Jedes einzelne Auto braucht mehr Breite zum Fahren.
Überholabstand auch neben Radfahrstreifen
Fahrstreifen sind 3,25 m breit. Aber es muss ja auch noch Platz bleiben für den Mindestabstand von 1,50 m (außerorts 2,00 m), den die Autofahrer beim Überholen einhalten müssen.
§ 5 Abs. 4 StVO: »Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehenden, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,5 m und außerorts mindestens 2 m.«
Bemerkenswert: Die StVO setzt hier immer noch voraus, dass Fußgänger auf der Fahrbahn gehen können. Das ist immer dann erlaubt, wenn kein Gehweg oder kein ausreichender Gehweg vorhanden ist. Die Gehweg-Benutzungspflicht und die Radweg-Benutzungspflicht gelten nicht bedingungslos – die Wege müssen zumutbar sein – anders als die Fahrbahnbenutzungspflicht, die naturgemäß erst gelten kann, wenn Gehwege vorhanden sind.
Der Rechtsexperte des ADFC, Roland Huhn, hat erklärt, warum der Überholabstand auch einzuhalten ist, obwohl Radfahrstreifen nicht Teil der Fahrbahn sind. Überholen kann man streng genommen nur, wenn sich beide Fahrzeuge auf der Fahrbahn befinden:
Ein Radfahrstreifen ist als Sonderweg für den Radverkehr kein Teil der Fahrbahn. Deshalb gilt § 5 Abs. 4 StVO nicht. Es gelten das allgemeine Rücksichtnahmegebot, das schon bis 1975 Grundlage für Mindestabstände von 1,5 bis 2 m war, sowie das Gefährdungsverbot nach § 1 Abs. 2 StVO.
(https://www.adfc.de/artikel/schutzstreifen-und-radfahrstreifen)
Im Ergebnis macht es für den einzuhaltenden Sicherheitsabstand keinen Unterschied: Eine Linie auf der Fahrbahn ändert nichts an den physischen und psychischen Folgen eines zu dichten Vorbeifahrens (Sogwirkung, Erschrecken oder Verunsicherung). Dabei ist es egal, ob die Linie unterbrochen wie beim Schutzstreifen oder durchgezogen wie beim Radfahrstreifen ist.
Das Passieren von Radfahrenden auf einem Radfahrstreifen ist kein Überholen im engeren Sinn des § 5 StVO. Zu dichtes und gefährdendes Vorbeifahren fällt unter den erweiterten Überholbegriff (wie in § 315c StGB, Straßenverkehrsgefährdung): „wer falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt“. Das kann als Ordnungswidrigkeit oder Verkehrsstraftat geahndet werden.