Essener Straße am 19.04.2024: Auf dem rechten Fahrstreifen wird nur geparkt. Fahren kann da niemand.
Am 3.5.2024 hat Jürgen Stahl für die WAZ noch einmal in zwei kostenpflichtigen Artikeln über die neue Veloroute #11 auf der Essener Straße / Wattenscheider Hellweg berichtet:
- Neuer Radweg in Bochum: „Wir schaffen unser Auto jetzt ab“
- Streit um Radweg: WAZ auf Testfahrt – haben Kritiker recht?
Er folgt immer noch unkritisch der falschen Darstellung der Stadt Bochum: Richtungskilometer statt Straßenkilometer.
Für ihn ist der Radweg acht Kilometer lang, tatsächlich sind es nur vier. Die Gesamtstrecke vom Westring bis zur Stadtgrenze Essen ist nur 7,7 km lang. Der neue Radweg deckt davon gerade mal die Hälfte ab.
Selten hat ein WAZ-Artikel eine derart breite und erbitterte Debatte ausgelöst wie der Bericht über den neu geschaffenen Radweg zwischen Höntrop und Bochum-Mitte. Auf acht Kilometern soll er zwischen der Erzstraße nahe der City und der Berliner Straße in Wattenscheid für ein gefahrloses Radeln sorgen und dem Velo-Verkehr in Bochum Rückenwind geben.
Im ersten Artikel geht es um Eigensinn gegen Gemeinnützigkeit.
Im zweiten Artikel um die Frage: »Bochums Zukunft oder „totaler Irrsinn“?«
Interessant ist für mich, dass niemand davon spricht, dass es sich um eine Veloroute handelt. Dementsprechend nimmt auch niemand Bezug auf das Radverkehrskonzept.
Die ideologische Fixierung auf die Autostadt Bochum ist dabei der Elefant im Raum: Unsichtbar.
Handelt es sich hier wirklich um die »Unterwerfung vor der Radfahrer-Lobby« oder nur um einen kleinen Schritt aus der systematischen Diskriminierung des Radverkehrs?
»Häufigstes Argument der Kritiker: Auf der Wegstrecke gebe es gar keinen nennenswerten Radverkehr.«
Das Argument kommt wir jedes Mal, wenn der Radverkehr ansatzweise gleichberechtigt behandelt wird: Beste Beispiele: Die Radfahrstreifen auf der Universitätsstraße und der Herner Straße.
Dahinter steckt: Die Privilegierten verteidigen ihren Besitzstand gegen die Diskriminierten.
Aber schon 1988 hat die Stadt Bochum die Aufgabe klar gestellt bekommen:
Die Leitfrage ist nicht »wo derzeit viele Fahrradfahrer fahren, sondern von wo nach wo sie fahren würden, wenn alle Straßen und Wege für den Radverkehr gleichermaßen geeignet wären.«
Pilotprojekt Radwege- und Beschilderungsplan Bochum, ILS, 1988, S. 10
Man nennt das Angebotsplanung. Das Pilotprojekt hat also schon vor 36 Jahren die richtigen Fragen gestellt und die Autostadt Bochum hat sie konsequent ignoriert.
Deshalb gibt es in Bochum Straßen, die – Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts gebaut – bis heute völlig rücksichtslos gegenüber dem Radverkehr sind.
Schicksalsjahr 1962: Opel und die RUB
Der Außenring, der Opelring und die Universitätsstraße sind Prototypen der Autostadt Bochum.
Bis heute ist die Universitätsstraße zwischen RUB West und Kleinherbeder Straße für Radfahrende nicht befahrbar, die Kreuzung mit der A43 wahrscheinlich die fahrradfeindlichste in ganz Bochum.
Die Essener Straße ist – wie die Castroper Straße ein Musterbeispiel für eine grotesk überdimensionierte Straße ohne jede Rücksicht auf den Fahrradverkehr.
Wenn man über »fahrradfreundliche Straßen« diskutieren will, dann muss man hier anfangen.
Das Fazit von Jürgen Stahl zum „XXL“-Radweg auf der XXL-Straße:
„So macht das Radfahren auch in der Stadt Spaß!“
Über die unsägliche »Qualität« der vorherigen Radwege, deren groteske Mängel der Stadt Bochum spätestens seit der Radverkehrsschau 2009 bestens bekannt waren, verliert die WAZ kein Wort.
Annette und Robert Langner, die renitenten Rentner aus der Essener Straße 129, wollen jetzt ihr Auto abschaffen, weil sie die Straße vor der Haustür nicht mehr als Privateigentum nutzen können:
„Der Radweg, zürnen die Eheleute, habe ihnen den jahrzehntelangen Parkplatz geraubt.“
Es geht wohlgemerkt und das rechtswidrige Parken auf der dem Gemeingebrauch gewidmeten öffentlichen Straße.
»Mehr als 40 Jahre habe er sein Auto vor dem Haus auf der Straße abgestellt, halb auf der Fahrbahn, halb auf dem Gehweg, sagt Robert Langner.«
Gehwegparken war da noch nie erlaubt.
»Aber in der Regel sind hier kaum Radfahrer unterwegs. Das war schon immer so. Und das wird sich in den nächsten 20 Jahren auch nicht ändern“, glaubt Annette Langner.«
Ich wette, den Begriff Angebotsplanung hat sie noch nie gehört.
https://www.waz.de/staedte/bochum/article242238536/Streit-um-Radweg-WAZ-auf-Testfahrt-haben-Kritiker-recht.html
https://www.waz.de/staedte/bochum/article242238550/Neuer-Radweg-in-Bochum-Wir-schaffen-unser-Auto-jetzt-ab.html