Teil 1: Benutzungspflichtige, aber nicht benutzungspflichtige Radwege
Teil 2: Wattenscheider Straße – Hansastraße: 40 Mängel und die Antworten der Verwaltung
Teil 3: Wattenscheider Straße – Hansastraße: Die Entscheidung
Es gibt viele Möglichkeiten, auf ausgeschilderte und trotzdem nicht benutzungspflichtige Radwege zu treffen. Der Weg von der Alleestraße über Wattenscheider Straße und Hansastraße Richtung Wattenscheid und Günnigfeld und umgekehrt ist ein besonders gutes Beispiel.
Es ist praktisch nicht möglich, diesen Weg mit dem Rad StVO-konform zu befahren. Weder konsequentes Fahren auf der Fahrbahn noch konsequente Beachtung der Beschilderung führen zum Ziel.
Hier sind 40 Mängel auf dem 2,8 km langen Abschnitt. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Anfang März hatte ich die Mängelliste an die Stadt Bochum geschickt und angeregt, die Mängel zu beseitigen. Die Verwaltung hat dazu die Beschlussvorlage Nr.: 20240941 erstellt.
Danach »prüft« die Verwaltung immerhin an 11 Stellen eine Beseitigung der Fehler.
Die Verwaltung verweist zudem darauf, dass ein ganzer Abschnitt neu geplant wird:
»Aktuell wird der Bereich der Wattenscheider Straße zwischen Darpestraße und Gahlensche Straße geplant, um die vorhandene Lücke im Radverkehrsnetz weiter zu schließen.«
Weitere Mängel werden eingestanden, sollen aber beibehalten werden. Abgesehen davon tut man einfach so, als wäre alles in Ordnung.
Immerhin erklärt die Verwaltung ausdrücklich, dass es an der Hansastraße zwischen Darpestraße und Kreisverkehr in beiden Richtungen keinen Radweg gibt:
»Radfahrende dürfen hier grundsätzlich auch auf der Fahrbahn weiterfahren.«
Das gleiche gilt de facto auch auf der Wattenscheider Straße.
Hier die kommentierten Beispiele für den Umgang der »fahrradfreundlichen« Stadt Bochum mit dem Radverkehr.
20 Mängel Richtung Wattenscheid
1. Alleestraße: lebensgefährliche Überleitung auf die Fahrbahn .
So müsste die Überleitung nach den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) 2010 aussehen: Verengte Fahrstreifen, 1,50 m breite Ausleitung auf die Fahrbahn, mindestens 10 Meter lang.
Für Radweganfang und Radwegende und schon bei einem Wechsel der Benutzungspflicht gilt:
Der Übergang zwischen Seitenraum und Fahrbahn bzw. umgekehrt ist so auszubilden, dass er mit Fahrrädern stoßfrei in direkter Führung und ohne Verschwenkungen erreicht bzw. verlassen werden kann.
ERA 2010, Seite 78.
Ein Radweganfang oder -ende ist auch erforderlich, wenn sich die Benutzungspflicht im Verlauf baulich angelegter Radwege ändert. An Radwegenden wird der Radverkehr durch entsprechende Bordführungen oder Schutzinseln baulich vom Kraftfahrzeugverkehr getrennt auf die Fahrbahn geführt.
ERA 2020, Seite 26.
Die Verwaltung weiß das auch, aber nur wenn es ihr passt. Hier sagt die Verwaltung:
»Zur Überleitung auf die Fahrbahn ist der Bordstein abgesenkt, die Überleitung wird mittels Markierungslinie verdeutlicht.«
Mit anderen Worten: Die lebensgefährliche Situation soll absichtsvoll genau so bestehen bleiben, wie sie ist.
2 Aus der Gegenrichtung (Kohlenstraße und Essener Straße) ist der Gehweg gar nicht erst freigegeben.
Die Verwaltung hat nicht verstanden, dass es um den Gehweg an der Wattenscheider Straße geht – die einzige Möglichkeit, den folgenden Radweg zu erreichen.
3 Wattenscheider Straße:
Der benutzungspflichtige Radweg ist von der Fahrbahn gar nicht erreichbar.
»Die Benutzungspflicht der Anlage im Seitenraum wird aufgehoben.«
4 Der Radweg endet im Nichts. Es ist nicht einmal feststellbar, wo der Radweg endet. Es gibt keine Verbindung zu dem parallelen Radfahrstreifen.
»Die Benutzungspflicht der Anlage im Seitenraum wird aufgehoben.«
5 Hinter der Einmündung Gahlensche Straße ist der Radweg nicht benutzungspflichtig (kein Schild)
»ein Vorziehen des Schilderstandortes wird als nicht erforderlich angesehen.«
6 Da, wo die Benutzungspflicht beginnt, gibt es gar keine Verbindung zur Fahrbahn.
»ein Vorziehen des Schilderstandortes wird als nicht erforderlich angesehen.«
7 Der Radweg endet im Nichts an einer Ortsfahrbahn, die per se nicht benutzungspflichtig sein kann (sonst müsste ja auch jeder Autofahrer die Ortsfahrbahn benutzen statt der Wattenscheider Straße).
»Die Verwaltung prüft verschiedene Möglichkeiten die Radverkehrsführung zu verändern.«
8 Dem Radfahrer, der ja auf dem Radweg die Vorfahrtsstraße befährt, wird unversehens die Vorfahrt genommen. Obwohl er einfach geradeaus fährt, haben Autofahrer sowohl von rechts wie von links kommend Vorfahrt.
»Die Verwaltung prüft verschiedene Möglichkeiten die Radverkehrsführung zu verändern.«
9 Die Ortsfahrbahn ist Teil einer Tempo-30-Zone, es gilt rechts vor links. Die Wattenscheider Straße ist aber Vorfahrtsstraße.
»eine neue Verkehrssituation« – als gäbe es kein Problem.
10 Am Ende der Ortsfahrbahn an der Goldhammer Straße muss der Radfahrer sowohl nach rechts abbiegen (da will er gar nicht hin), als auch geradeaus einem nicht vorhandenen Radweg folgen. Gegenüber gibt es auch keinen Radweg, nur einen freigegebenen Gehweg. Aber selbst der ist nicht legal erreichbar. Die Situation besteht so mindestens seit 2009.
»Die Umgestaltung des Knotenpunktes wird durch die Verwaltung geprüft.« – nach mindestens 15 Jahren.
11 Es gibt am Ende der Ortsfahrbahn keine Überleitung auf die Fahrbahn der Wattenscheider Straße.
»Die Umgestaltung des Knotenpunktes wird durch die Verwaltung geprüft.«
Bis hierhin wäre allein die konsequente Nutzung der Fahrbahn der Wattenscheider Straße (und des kurzen Radfahrstreifens vor der Gahlenschen Straße) zumutbar, aber das ist schlechterdings nicht erkennbar. Es gibt an der Kreuzung mit der Gahlenschen Straße keine Überleitung auf die Fahrbahn.
Im Bereich der Autobahndreiecks Bochum West gibt es einen benutzungspflichtigen Zwei-Richtungs-Geh-und-Radweg.
12 Es gibt keinen Radweganfang. Der Wechsel von der Fahrbahn auf den Radweg ist sehr gefährlich, daher unzumutbar.
»Der Bereich wird, wie oben beschrieben, aktuell von der Verwaltung umgeplant.«
13 Auf dem Radweg ist der notwendige Sicherheitstrennstreifen zur Fahrbahn nicht erkennbar.
»Der Sicherheitstrennstreifen zur Fahrbahn ist nicht vorhanden.«
14 Es gibt in Höhe der A40 eine gefährliche Engstelle auf dem Radweg.
»Die Engstelle ist frühzeitig erkennbar, bei gegenseitiger Rücksichtnahme ist die Engstelle problemlos zu passieren«
15 An der Darpestraße ist nicht erkennbar, wie es überhaupt weitergehen soll. Es gibt kein Radwegende. Es gibt keine Beschilderung, die auf die gegenüberliegende Straßenseite verweisen würde.
»Der Radverkehr wird mit Hilfe der Ampel sicher auf die gegenüberliegenden Straßenseiten geführt. Die Führung ist vergleichbar mit indirektem Linksabbiegen.
Radfahrende dürfen hier grundsätzlich auch auf der Fahrbahn weiterfahren.« – aber wie denn, ohne Radwegende?
16 Parallel zu Hansastraße gibt es einen beschilderten Geh- und Radweg. Der kann aber nicht benutzungspflichtig sein, weil er weit von der Hansastraße abgesetzt ist und zur Centrumstraße führt.
»… wird durch die Verwaltung überprüft und gegebenenfalls angepasst.«
17 An der Centrumstraße ist der Radweg unterbrochen.
»Die Verwaltung prüft eine Anpassung und Optimierung.«
18 Das Gelände der Firma Terberg an der Hansastraße ist von dem Radweg aus nicht erreichbar.
»Der Hinweis auf den fehlenden Anschluss an der beschriebenen Stelle ist korrekt.«
19 Der Radweg endet im Nichts. Am Kreisverkehr ist die Radverkehrsführung nicht erkennbar.
»Der Radweg endet vor dem Kreisverkehrsplatz« – ja, und dann?
20 Wenn man auf der Hansastraße mit dem Fahrrad ordnungsgemäß auf der Fahrbahn fährt, wird man von Autofahrern terrorisiert, die die Straße als ihr Eigentum betrachten. Überholen ist legal bis zum Kreisverkehr in der Regel nicht möglich.
»Radfahrende, die trotzdem über die Hansa Straße fahren, dürfen mit ausreichendem Abstand legal überholt werden. Die Mittellinie ist zu diesem Zweck „gestrichelt“.«
20 Mängel Richtung Bochum
21 Am Kreisverkehr endet der Radfahrstreifen im Nichts. Genauer: Der Radfahrstreifen endet auf einem Gehweg, der nicht befahren werden darf.
»Der Radweg wird in den freigegebenen und in dem Bereich breiter werdenden Seitenraum aufgeleitet.« – da ist kein Radweg.
22 Vom Kreisverkehr aus ist der Radweg Richtung Centrumstraße nicht erreichbar.
»Der gemeinsame Geh-/ und Radweg ist über die erste Ausfahrt des Kreisverkehrs und weiter über die Fuhrt zu erreichen.«
Einziger Trost: Der Radweg ist trotz Beschilderung nicht benutzungspflichtig.
23 An der Centrumstraße ist der Radweg unterbrochen. Der verbindende Gehweg darf nicht befahren werden.
»Der Radverkehr wird auf die Fahrbahn geführt und biegt dann am Anschlusspunkt wieder in den Seitenraum ein.«
24 An der Darpestraße ist nicht erkennbar, wie es weitergehen soll. Es gibt rechts eine Beschilderung als Zwei-Richtungs-Geh-und-Radweg. Aber es gibt an dieser Stelle drei Richtungen!
»Die Ergänzung der Beschilderung wird durch die Verwaltung überprüft und gegebenenfalls angepasst.«
Wie soll das funktionieren, wenn man vorher ganz legal auf der Fahrbahn fährt?
So werden Radfahrer diskriminiert.
25 Zwischen dem Zwei-Richtungs-Geh-und-Radweg von der Centrumstaße her und dem Zwei-Richtungs-Geh-und-Radweg am Autobahndreieck gibt es keine Verbindung.
»Die Ergänzung weiterer Verkehrszeichnen zur Verdeutlichung der Wegebezie-hung in Richtung Innenstadt wird durch die Verwaltung geprüft.«
26 Die Wartezeiten an den zwei Querungen sind unzumutbar lang und die Querungen werden nur auf Anforderung frei gegeben: Zwei Bettelampeln.
»Aufgrund der Fahrbahnbreite ist hier eine dauerhafte Mitschaltung in der Nebenrichtung des gesamten Knotens verkehrstechnisch nicht ratsam, da es massive negative Einflüsse auf die Leistungsfähigkeit hat.«
27 Am Ende des Zwei-Richtungs-Geh-und-Radwegs gibt es ein Schild, das auf einen Radweg auf der gegenüberliegenden Seite verweist. Aber es gibt da keinen Radweg.
»Der Radfahrer wird an dieser Stelle in den gemeinsamen Geh-/Radweg auf der gegenüberliegenden Seite geführt.«
Der gehört nicht zur Alleestraße!
»Die Ergänzung weiterer Verkehrszeichnen zur Verdeutlichung der Wegebeziehung in Richtung Alleestraße wird durch die Verwaltung geprüft.«
28 Die zweite Hälfte der Querung ist nur für Fußgänger.
»Die Signalscheibe der Ampel an der Zu-/ Abfahrt der A 448 wird zeitnah ausgewechselt.«
29 Es gibt keine Überleitung auf die alternativlose Fahrbahn der Wattenscheider Straße.
»Stadteinwärts gibt es, statt die Fahrbahn der Wattenscheider Straße zu befahren, die Möglichkeit, um die Grünfläche herum auf den freigegebenen Gehweg [!] der Wattenscheider Straße zu fahren. Aktuell wird der Bereich der Wattenscheider Straße zwischen Darpestraße und Gahlensche Straße geplant, um die vorhandene Lücke im Radverkehrsnetz weiter zu schließen.« – „weiter zu schließen“?
30 Das Abbiegen auf die Fahrbahn ist wegen der Straßenbahngleise in der Fahrbahn lebensgefährlich.
»Das Abbiegen im Bereich der Straßenbahngleise ist nicht vorgesehen.«
31 Richtung Gahlensche Straße gibt es überhaupt keine Radverkehrsführung.
– Siehe zu 29.
32 An der Kreuzung Gahlensche Straße ist nicht erkennbar, wie Radfahrer in die Gahlensche Straße oder zur Jahrhunderthalle abbiegen sollen.
»Die Führung in Richtung Gahlensche Straße inklusive der Anbindung des Westparks ist ebenfalls Teil der oben mehrfach beschriebenen Planung.«
33 Der Radfahrstreifen an der Wattenscheider Straße hat keinen Anfang.
– für die Verwaltung braucht er auch keinen.
34 Der Radfahrstreifen an der Wattenscheider Straße hat kein Ende. Er führt auf einen Gehweg.
»Der Radfahrstreifen endet, aufgrund der geometrischen Randbedingungen, vor der Ampel. Im weiteren Verlauf wird der Überleitungsbereich durch die gestrichelte Markierungslinie deutlich. Radfahrende können hier zwischen der Fahrt auf der Fahrbahn (ohne Radverkehrsanlage) oder dem freigegebenen Gehweg wählen.« –
Das Radwegende fehlt. Siehe oben Punkt 1.
35 Es gibt keine Überleitung auf die Fahrbahn.
– Das ist vorsätzliche Verkehrsgefährdung.
36 Der freigegebene Gehweg ist nicht sicher befahrbar.
»Die Gehwegfreigabe richtet sich an unsichere Radfahrende mit Zielen in direkter Umgebung.« – Gerade unsichere Radfahrende brauchen mehr Platz!
37 An der Kreuzung Alleestraße gibt es keine Ausleitung von dem freigegebenen Gehweg auf die Aufstellfläche.
»Der Gehweg ist für den Radverkehr nicht benutzungspflichtig. Das Angebot richtet sich an unsichere Personen. Eine Ausleitung in den Knotenpunkt stellt aus Sicht der Verwaltung keine sichere Lösung dar.« – Das ist purer Zynismus.
38 Es gibt keine Radverkehrsführung Richtung Kohlenstraße.
»Eine Führung plangleich über den Knotenpunkt ist unter den vorliegenden Verkehrsverhältnissen nicht möglich oder vorgesehen.« – Das ist purer Zynismus.
39 Die vierstreifige Alleestraße hat keine Radverkehrsführung. 1950 war das noch anders. (Bild: Stadt Bochum, Bildarchiv)
»Die erneute Umgestaltung der Alleestraße ist in vollem Gange … Die hohen verkehrlichen Anforderungen stellen große Herausforderungen dar, die in der Vorplanung untersucht werden.«
40 Radfahrer werden durch die unmittelbar an der Fahrbahn parkenden Autos zusätzlich gefährdet.
»Die vorhandene Situation ist mit anderen Stellen im Stadtgebiet vergleichbar und wird als nicht problematisch eingestuft.« – Noch mehr Zynismus.
Die Befahrung als Video bei Youtube:
Fahrtrichtung Wattenscheid: https://youtu.be/Nk1QG_pFdJA
Fahrtrichtung Bochum: https://youtu.be/e6f3H0nPghk