Wie Bochum mit »Protected Bike Lanes« Unfälle verursacht

Illustration eines Geschützten Radfahrstreifens, Broschüre »Einladende Radverkehrsnetze« des BMDV [2]

Es gibt in Bochum drei »Protected Bike Lanes«. Eine schlimmer als die andere. Keine dieser Konstruktionen ist geeignet, Radfahrer vor Unfällen zu schützen.

  • Universitätsstraße zwischen Wasserstraße und Waldring, Richtung Zentrum
  • Hattinger Straße zwischen Königsallee und Bessemer Straße, beide Richtungen
  • Königsallee vor der Hattinger Straße, stadtauswärts

Erfunden wurden »Protected Bike Lanes« in den USA, um mit einfachen Mitteln möglichst sichere Radwege schaffen zu können. Allerdings haben sie Ähnlichkeit mit Gefängnissen: Wenn man erst mal drin ist, kommt man schlecht wieder raus.

Sicher, selbsterklärend und fehlerverzeihend – in der Theorie

Der Nationale Radverkehrsplan 3.0 (NRVP) erkennt geschützte Radfahrstreifen als neue Lösung für sichereres Radfahren innerorts an. Geschützte Radfahrstreifen sollen im Fahrradland Deutschland 2030 „zu einem standardisierten Gestaltungselement“ einer selbsterklärenden und fehlerverzeihenden Radverkehrsinfrastruktur werden. 

Bundesamt für Logisitk und Mobilität [1]

»Protected Bike Lanes« werden mit einer Barriere von der Fahrbahn getrennt. Diese Barriere muss verhindern, dass ein Autofahrer auf den Radweg fährt. Sonst wäre die Konstruktion sinnlos.
Allerdings braucht die Barriere Platz und der Radfahrstreifen muss deutlich breiter sein als ohne.
Schließlich soll die Barriere die Radfahrer schützen und nicht gefährden. Deshalb braucht es zusätzliche Sicherheitsräume.

Zur Gestaltung einer »Protected Bike Lanes« macht das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) klare Vorgaben:

Um einen geschützten Radfahrstreifen zu realisieren, markieren Sie in jeder Fahrtrichtung am rechten Fahrbahnrand einen breiten Sonderweg, der ausschließlich dem Radverkehr zur Verfügung steht. Um zu verhindern, dass Kraftfahrzeuge auf diesem Radstreifen fahren, halten oder parken, erfolgt zusätzlich eine bauliche Trennung zur Fahrbahn und damit zum fließenden Kfz-Verkehr.
Sofern Sie einen Parkstreifen für Kfz vorsehen, wird dieser zwischen dem geschützten Radfahrstreifen und der Fahrspur angeordnet. Für sichere Überholvorgänge zwischen Radfahrenden reservieren Sie eine Breite von 2,50 m; sofern hohe Radverkehrsstärken oder regelmäßig mehrspurige Fahrräder zu erwarten sind, sollten geschützte Radfahrstreifen entsprechend breiter angelegt werden. Zur Breite des Radstreifens kommt der nötige Raum für die bauliche Abtrennung hinzu. Ein geschützter Radfahrstreifen nimmt damit etwa die Breite eines Kfz-Fahrstreifens ein.

Broschüre „Einladende Radverkehrsnetze“, Seite 14-15 [2]

Geschützte Radfahrstreifen haben also vier wesentliche Qualitätsmarkmale:

  1. Sie sind »qualitativ hochwertige Radverbindungen«.
  2. Kraftfahrzeuge fahren nicht auf diesem Radstreifen.
  3. Der gesetzlich vorgeschriebene Überholabstand von 1,50 m (innerorts) bzw. 2,00 m (außerorts) wird automatisch eingehalten.
  4. Radfahrende können sicher untereinander überholen.

Bei den drei Bochumer Paradebeispielen wird keines dieser Kriterien eingehalten.

Universitätsstraße zwischen Wasserstraße und Waldring, Richtung Zentrum

Universitätsstraße sogenannter »Geschützter Radfahrstreifen« (2020)

Der Radfahrstreifen ist viel zu schmal, weder links noch rechts gibt es ausreichende Sicherheitsräume. Dafür ist die Barriere massiv, aber mit regelmäßigen Lücken zur Entwässerung der Fahrbahn.

Heute [23.05.2024] kam es auf der Universitätsstraße in Richtung Innenstadt, kurz hinter der Kreuzung Wasserstraße zu einem Unfall mit zwei Radfahrern. Der vordere wollte einem auf den Fahrradweg rankenden Gebüsch ausweichen, als der hintere überholen wollte. Da der hintere aufgrund der Abgrenzung nicht ausweichen konnte, stürzten beide über die Abgrenzung des Fahrradweges auf die Universitätsstraße. Der auf der rechten Spur fahrende LKW konnte zum Glück noch rechtzeitig abbremsen!
Die Abgrenzung des Fahrradweges war bestimmt eine von der Stadt Bochum gut gemeinte Investition, die jedoch bei fehlendem Beschnitt der angrenzenden Grünfläche ein größeres Verkehrsrisiko darstellt als sowieso schon.
Zum Glück konnten beide Unfallteilnehmer mit leichten Schürfverletzungen weiterfahren.

Per E-Mail erhalten am 23.05.2024

Unfallursache ist hier also der angeblich geschützte Radfahrstreifen dank unzureichender Breite in einer Gefällestrecke und fehlender Sicherheitsräume.
Der – ursprünglich »ungeschützte« – Radfahrstreifen wurde angelegt, nachdem durch den Bau der U35 eben kein ganzer Fahrstreifen mehr zur Verfügung stand. Durch die Barriere wurde die Breite des Radfahrstreifens nachträglich weiter reduziert, sodass als Reparaturmaßnahme an der engsten Stelle sogar noch der Bordstein rechts versetzt werden musste.

Im Winter werden Radfahrer jetzt bei Frost zusätzlich auch noch durch unvorhersehbare Vereisungen an den Entwässerungsöffnungen gefährdet.

Insgesamt ein Bochumer Musterbeispiel für eine Verkehrsgefährdung durch unsachgemäß ausgeführte Radverkehrsanlagen.

Hattinger Straße zwischen Königsallee und Bessemer Straße, beide Richtungen

»Geschützter Radfahrstreifen« mit rechts angrenzenden Parkflächen auf beiden Seiten (2024)

Hier hat Bochum extra einen neuen Trennstein entwickeln lassen, um Radfahrer zu gefährden.
Für Autofahrer sind diese aufwendig verbauten Trennelemente sehr leicht überfahrbar. Man merkt es kaum. Für Radfahrer sind sie eine Falle.
Von den Basiskriterien ist keins erfüllt:

  • Kraftfahrzeuge fahren zum Parken auf und über den Radstreifen.
  • Der gesetzlich vorgeschriebene Überholabstand wird nicht eingehalten.
  • Radfahrende können nicht sicher überholen.

Dazu kommt: Die Entwässerungsöffnungen zur Straßenmitte sind für Radfahrer kaum erkennbar und führen zu einer erheblichen Sturzgefahr. Bereits im November 2023 ist es dadurch zu einem Unfall gekommen.

P.S. (21.10.2024): Das Tiefbauamt erklärt in der Mitteilung der Verwaltung Nr.: 20242562, dass der umstrittene Trennstein zwischen der Fahrbahn und dem Radfahrstreifen auf der Hattinger Straße kurzfristig zurückgebaut wird. »Es ist vorgesehen, den Trennstein möglichst abzufräsen. Sollte dies nicht möglich sein, muss der Stein ausgebaut werden. Nach diesen Arbeiten wird der Radfahrstreifen wie am Steinring mit einer Riffelmarkierung zur Kfz-Fahrbahn hin abgegrenzt.«

Königsallee vor der Hattinger Straße, stadtauswärts

Königsallee: »Protected Bike Lane« für Autofahrer

Dieser etwa 50 Meter lange »Geschützte Radfahrstreifen« ist seit kurzem sogar als benutzungspflichtig ausgewiesen. Auch hier gilt: Der Radfahrstreifen ist zu schmal, hat keine Sicherheitsräume und wird an der Ampel auch noch in Geradeaus- und Rechtsabbiegestreifen geteilt. Links Abbiegen ist erst gar nicht vorgesehen. Der Radfahrstreifen endet mitten im Kreuzungsbereich.

Das ist ein Musterbeispiel für einen »Radweg für Autofahrer«. Er soll nur die lästigen Radfahrer von der Fahrbahn entfernen. Die Vorgaben der »Empfehlungen für Radverkehrsanlagen« (ERA) werden alle nicht eingehalten.

Das Bochumer Tiefbauamt hat sich mit diesen Konstruktionen zweifellos für einen Sonderpreis für besondere Inkompetenz qualifiziert.

Es geht auch anders

Bochum, Essener Straße: Kein geschützter Radfahrstreifen, nur eine Absicherung vor abbiegenden Lkw.

Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t innerorts führt, muss beim Rechtsabbiegen mit Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn auf oder neben der Fahrbahn mit geradeaus fahrendem Radverkehr oder im unmittelbaren Bereich des Einbiegens mit die Fahrbahn überquerendem Fußgängerverkehr zu rechnen ist.

Straßenverkehrsordnung (StVO) § 9 Absatz 6
Herne, Westring: Nachgerüstete PBL, breit genug für Einsatzfahrzeuge, aber wie kommen Radfahrer jetzt auf den Linksabbiegestreifen?

[1] https://www.mobilitaetsforum.bund.de/DE/Themen/News-RADar/_texte/Geschuetzte-Radfahrstreifen_Umsetzung.html

[2] https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Publikationen/StV/einladende-radverkehrsnetze.pdf?__blob=publicationFile

Ein Kommentar bei „Wie Bochum mit »Protected Bike Lanes« Unfälle verursacht“

  1. Wenn man keine Ahnung hat, dann sollte man besser keine Artikel schreiben.

    Hr. Kuliga ist leider für seine Polemik und Unsachlichkeit bekannt.
    Nichts ist gut genug für ihn, jede pragmatische Lösung (mit der alle anderen klarkommen) wird solange begutachtet, bis irgendwo ein CM fehlt und grundsätzlich weiß er alles besser und kann auch alles besser.
    Schlimm, wenn man den einzigen Sinn in seiner Existenz nur im Hass auf Verwaltungen und andere Verkehrsteilnehmer sieht.

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