Wattenscheider Straße – Hansastraße: Die Entscheidung

Wattenscheider Straße / Goldhammer Straße: Ja, wie denn nun?

Am Mittwoch, 29.05.2024, wurde meine Bürgeranregung nach GO NRW § 24 im Ausschuss für Mobilität und Infrastruktur (AMI) behandelt. Die Anregung mit 40 Fotos hatte im am 8. März 2024 eingereicht.
Die Verwaltung erstellte dazu die Beschlussvorlage Nr.: 20240941.

Hier im Blog:
Teil 1: Benutzungspflichtige, aber nicht benutzungspflichtige Radwege
Teil 2: Wattenscheider Straße – Hansastraße: 40 Mängel und die Antworten der Verwaltung
Teil 3: Wattenscheider Straße – Hansastraße: Die Entscheidung

Der Antragsteller bekommt im Ausschuss zehn Minuten Zeit, sein Anliegen noch einmal zu erläutern. Vorher und nachher hat er zu schweigen, er ist ja kein Mitglied des Ausschusses. Die Öffentlichkeit darf nur zuhören.
Ich habe die Gelegenheit genutzt, um die Beschlussvorlage der Verwaltung unter die Lupe zu nehmen:



Zuerst drei grundsätzliche Aussagen

1. Gehwege sind keine Radwege. Das gilt auch, wenn „Radfahrer frei“ dran steht.
2. Ein Radweg muss einen Radweganfang haben.
3. Ein Radweg muss ein Radwegende haben.

Das Tiefbauamt weiß das alles sehr genau, weil es schon seit 15 Jahren in den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) steht.
Und wenn es gerade passt, nimmt das Tiefbauamt gerne darauf Bezug, aber auch nur dann.
In dieser Beschlussvorlage missachtet die Verwaltung diese Grundsätze und handelt damit vorsätzlich wieder besseres Wissen.

Sehr oft ist in der Beschlussvorlage von „prüfen“ (11 Mal) und „planen“ (8 Mal) die Rede.
Aber „prüfen“ und „planen“ ist nicht genug.

Die gravierenden Mängel müssen beseitigt werden. Jetzt.

Im Wesentlichen geht es hier nur um drei Fragen:

1. Wann ist ein Radweg benutzungspflichtig?

Dafür gibt es drei Bedingungen:
1.1. Der Radweg muss fahrbahnbegleitend sein.
1.2. Der Radweg muss beschildert sein.
1.3. Der Radweg muss zumutbar sein.

Gehwege können per se nicht benutzungspflichtig sein. Eine Freigabe ändert daran nichts (Punkt 21, 22 der Beschlussvorlage). Deshalb sind Gehwege im Zusammenhang dieser Beschlussvorlage irrelevant.

Die untersuchten Radwege auf der linken Seite der Hansastraße Richtung Wattenscheid sind nicht fahrbahnbegleitend und deshalb nicht benutzungspflichtig. Das hat die Verwaltung erkannt und zugegeben:

Die Hansastraße hat zwischen Darpestraße und Gewerbestraße keinen Radweg.

Zumutbar ist ein Radweg, wenn er die Anforderungen der VwV-StVO zu § 2 Straßenbenutzung durch Fahrzeuge, Absatz 4 Satz 2 und der ERA erfüllt.

2. Hat der Radweg einen regelkonformen Anfang?
3. Hat der Radweg einen regelkonformes Ende?

Die Anforderungen an Radweganfang und -ende sind in den ERA klar benannt:

Der Übergang zwischen Seitenraum und Fahrbahn bzw. umgekehrt ist so auszubilden, dass er mit Fahrrädern stoßfrei in direkter Führung und ohne Verschwenkungen erreicht bzw. verlassen werden kann.

ERA 2010 Seite 78

Die Basisanforderung an Radweganfang und -ende wird von keinem Radweg in dieser Beschlussvorlage erfüllt.

(Punkte 1, 7-9, 10-11, 12, 15, 19, 21, 22, 24, 27-30, 33, 34-35).
Allein 19 der 40 aufgelisteten Mängel betreffen Radweganfang oder -ende.

Am Anfang und Ende des Bereichs zwischen Darpestraße und Gewerbestraße muss es direkte Überleitungen auf die Fahrbahn und von der Fahrbahn auf die Radwege geben.

Zu den Punkten 27-29 (Ende des Zwei-Richtungs Geh- und Radwegs im Autobahndreieck Richtung Bochum) verweist die Verwaltung auf einen gemeinsamen Geh-/Radweg, der gar nicht existiert. Das ist nicht hinnehmbar. Die Wattenscheider Straße hat an dieser Stelle nicht einmal einen Gehweg!

Die Verwaltung nimmt die Gefährdung des Radverkehrs seit Jahren durchgehend billigend in Kauf.

Die untersuchte Strecke zeigt, dass von einem funktionierenden Radverkehrsnetz in Bochum auch fast vierzig Jahre nach dem Pilotprojekt nicht die Rede sein kann – trotz aller angeblichen Lückenschlüsse, die tatsächlich nur neue Lücken produzieren.

Verkehrsschauen

Die Straßenverkehrsbehörden haben bei jeder Gelegenheit die Voraussetzungen für einen reibungslosen Ablauf des Verkehrs zu prüfen.

Alle zwei Jahre haben die Straßenverkehrsbehörden zu diesem Zweck eine umfassende Verkehrsschau vorzunehmen, auf Straßen von erheblicher Verkehrsbedeutung und überall dort, wo nicht selten Unfälle vorkommen, alljährlich, erforderlichenfalls auch bei Nacht.“

VwV-StVO zu § 45 Randnummer 56/57

Und in 15 Jahren hat die Verwaltung von den 40 aufgelisteten Mängeln nichts bemerkt?

Deshalb ist diese Beschlussvorlage gelinde gesagt mangelhaft.

Und Sie müssen jetzt entscheiden, ob Sie sich diese Beschlussvorlage zu eigen machen oder ob Sie dem Konzept »fahrradfreundliches Bochum« tatsächlich Gewicht geben wollen.

Wie viel ist das Radverkehrskonzept der Stadt Bochum tatsächlich wert?

Das entscheiden Sie hier und jetzt.

Ergebnis im Ausschuss: Die Beschlussvorlage der Verwaltung wurde einstimmig angenommen.

Die WAZ hat am 31.05.2024 über die Bürgeranregung und die Entscheidung im Ausschuss berichtet:

Bochumer Fahrrad-Aktivist kritisiert Radweg: „Mangelhaft“ (WAZ plus)

40 Mängel hat ein engagierter Radfahrer auf einer Radverkehrsführung in Bochum dokumentiert.
„Das ist lebensgefährlich“, heißt es in einer Beschwerde des Bochumer Fahrrad-Aktivisten Klaus Kuliga
„Will Bochum eine fahrradfreundliche Stadt sein? Dann müsste sie die Mängel abstellen“, erklärte Kuliga, der ehemalige Vorsitzende des örtlichen ADFC am Mittwoch im Ausschuss für Mobilität und Infrastruktur.
In Teilen folgte das Tiefbauamt der Kritik zwar, von einer zeitnahen Beseitigung der Mängel ist aber bis auf einen einzigen kleinen Punkt (die Auswechselung einer Signalscheibe an einer Ampel) keine Rede. 
Die wesentlichen Mängel müsse man aber sofort beseitigen.
Das Tiefbauamt sieht aber offenbar keinen akuten Handlungsbedarf. Im Ausschuss verwies ein Vertreter darauf, dass die Radverkehrsführung mit der Polizei abgestimmt sei. Außerdem habe sich in den vergangenen Jahren beim Ausbau des Fahrwegenetzes schon „sehr viel getan“.

(Auszüge aus dem WAZ Artikel)

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