Dorstener Straße: Wann hält Bochum sich endlich an die einfachsten Regeln?

Poolnoodle-Demo Dorstener Straße März 2024

Mündlich vorgetragene Stellungnahme zur Beschlussvorlage 20232393 (GO24 Dorstener Straße)
(Datum der Beschlussvorlage: 07.09.2023, veröffentlicht am 09.11.2023)
Sitzung des Ausschusses für Mobilität und Infrastruktur (AMI) am 15.11.2023

Fast zehn Monate Arbeit

Ich habe den Antrag am 26. Januar 2023 gestellt. Heute, am 15. November 2023 steht er auf der Tagesordnung.
Obwohl die Beschlussvorlage das Datum 07. September 2023 trägt, wurde sie erst am 09. November 2023 veröffentlicht, Sechs Tage vor der Ausschusssitzung, fast zehn Monate nach der Antragstellung.
Zwischenzeitlich wurde das Radverkehrskonzept der Stadt Bochum vorgelegt und beschlossen.
Da muss man wohl annehmen, dass die Verwaltung sehr gründlich gearbeitet hat und sich intensiv mit der Politik abgestimmt hat. Mit anderen Worten:
Die Verwaltung hat geliefert wie bestellt.

Vorgeschichte

Das heutige Thema Dorstener Straße hat einen Vorlauf von mehr als 35 Jahren.
Am 18. Juni 1991 hat die Stadt Bochum zu einer Bürgerinformation eingeladen und ihre Planungen zur Dorstener Straße vorgestellt.
Davor allerdings gab es schon das »Pilotprojekt Radwege- und Beschilderungsplan Bochum«. Projektstart war im Jahr 1985, abgeschlossen 1987, veröffentlicht 1988. Das Pilotprojekt enthielt eine bis heute vorbildliche Strukturanalyse der Siedlungs- und Verkehrsinfrastruktur der Stadt Bochum.
Das Ergebnis war eindeutig:

Für ein Radverkehrsnetz der Stadt Bochum sind die Radialstraßen unverzichtbar.

(Pilotprojekt S. 16)

Ich war selbst auf der Veranstaltung zur Bürgerinformation 1991 anwesend und hatte mich gründlich vorbereitet. Das Ergebnis der Veranstaltung war dann, dass die Stadt Bochum ihre Pläne noch vor Ort zu Makulatur erklärte.

Danach folgten die »Empfehlungen für Radverkehrsanlagen« (ERA) 1995, die »Richtlinien zur Anlage von Stadtstraßen« (RASt) 2006, die Neuausgabe der »Empfehlungen für Radverkehrsanlagen« 2010 und der Entwurf der Neuausgabe der Empfehlungen die schon 2022 erscheinen sollte. Und zuletzt das Radverkehrskonzept der Stadt Bochum.

Der rote Faden

Es gibt einen roten Faden, der sich bruchlos durch alle Gesetze, Verordnungen, Vorschriften, Richtlinien und Empfehlungen zieht.

Er beginnt mit dem Grundgesetz, Artikel 2:

Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

und geht über die StVO § 1 »Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.«
und geht weiter über die Verwaltungsvorschrift zur StVO: »Oberstes Ziel ist dabei die Verkehrssicherheit. Hierbei ist die „Vision Zero“ … Grundlage aller verkehrlichen Maßnahmen.«
Der rote Faden zieht sich weiter durch alle Regelwerke, wie die RASt und die ERA bis zur untersten Ebene.

Es gilt: Sicherheit zuerst. Vision Zero: Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

AMI Mai 2023: Wittener Straße 101

Ich habe zuletzt im Mai 2023 hier vor dem Ausschuss eine Stellungnahme zu mehreren Anträgen, u.a. zur Wittener Straße vorgetragen. Damals hat der Ausschussvorsitzende interveniert als ich eine Anmerkung zur Dorstener Straße machen wollte. Der Antrag dazu lag ja schon seit vier Monaten vor. Ich habe auf die Anmerkung verzichtet und trage sie heute vor:

Sicherheitstrennstreifen zwischen Radfahrstreifen und parkenden Kfz waren schon in den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) von 1995 gefordert. Vor knapp 30 Jahren! Mittlerweile steht das auch in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV StVO). Aber Bochum hat auch 2023 nicht die Absicht, diese grundlegende Sicherheitsanforderung zu erfüllen. An der Herner Straße und der Dorstener Straße gab es aktenkundige Unfälle, die auf die fehlenden Sicherheitstrennstreifen zurückzuführen sind.

(Stellungnahme zum GO 24 Antrag vom 26.01.2023, Wittener Straße 101)

Ich habe gefragt:

Wann hält Bochum sich endlich an die einfachsten Regeln?

Es ist im Grunde einfach

Wenden Sie die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) konsequent und sofort an.
Beginnen Sie mit den Altlasten.
Besser kein Radweg als ein schlechter Radweg.
Alt vor Neu!

Jetzt: Die Beschlussvorlage 20232393

Meine Anregung gliedert sich in drei Teile:

  1. Die Problemstellung
  2. Lösungsvorschläge
  3. Fotos von exemplarischen Problemstellen.

Ich habe mir die Mühe gemacht, meine Anregung vom Januar und die vorliegende Beschlussvorlage der Verwaltung nebeneinander zustellen. [Ich zeige dem Ausschuss einen Ausdruck.]

Wie Sie sehen können, sagt die Verwaltung zum Kernanliegen meines Antrags genau nichts. Kein einziges Wort. Die rechte Seite des Blatts ist leer.

Das bedeutet: Von Sicherheit ist keine Rede.

Das Wort »Sicherheit« kommt in der Beschlussvorlage nicht vor.
Es gibt keinen Bezug zu irgendeinem Regelwerk und keinen Bezug auf das Radverkehrskonzept der Stadt Bochum.

»An alle Verkehrsteilnehmer denken«

Frau Düwel als verantwortliche Leiterin des Tiefbauamts erklärt gegenüber Forderungen und Anregungen aus Radfahrerkreisen oft und gern, sie, also das Tiefbauamt, müsse bei Planungen an alle Verkehrsteilnehmer denken und nicht nur an den Radverkehr. Damit unterstellt sie, dass die Interessenvertreter des Radverkehrs eben nur an den Radverkehr und nicht an alle Verkehrsteilnehmer denken.
In Wirklichkeit haben beide Seiten alle Verkehrsteilnehmer im Blick. Aber unterschiedlich.
Wenn das Tiefbauamt die Belange aller Verkehrsarten bedenkt, dann um die Privilegien des motorisierten Verkehrs zu verteidigen und die Diskriminierung von Fußgängern und Radfahrern zu bestätigen.
Wenn Vertreter der Radwende oder andere für die Interessen der Radfahren eintreten, dann denken sie zuerst an Fußgänger, dann an Radfahrer und zuletzt an den MIV.
Fußgänger und Radfahrer sind de facto eben nicht gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer.
Um das Gleichgewicht herzustellen, muss man die Privilegien des MIV grundsätzlich in Frage stellen.

Sicherheit zuerst. Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs für alle.

Sicherheit hat zwei Seiten

Es geht um subjektive und objektive Sicherheit. Subjektive Sicherheit ist gegeben, wenn niemand Angst haben muss, mit dem Verkehrsmittel seiner Wahl unterwegs zu sein. Objektive Sicherheit wird durch die Einhaltung der Regelwerke hergestellt.

In Bochum regiert die Angst

Jedenfalls dann, wenn man mit dem Rad unterwegs ist. Das war schon 1990 so und hat sich bis heute nicht geändert.
Die Stadt Bochum hat die Pflicht, die subjektive und objektive Sicherheit des Radverkehrs auf der Dorstener Straße herzustellen. Dazu sagt die Beschlussvorlage kein Wort.

Im Grund ist die Verkehrspolitik der Stadt Bochum rassistisch. Sie verteidigt die Privilegien der Starken gegen die berechtigten Ansprüche der Schwachen. Das willkürliche Unterscheidungsmerkmal ist die Wahl des Verkehrsmittels.

Ich ermutige sie, ehrlich und gradlinig zu sein:
• Beschließen Sie die Vorlage zur Dorstener Straße unverändert.
• Machen Sie weiter wie auf der Wittener Straße, der Hattinger Straße, dem Tsukuba-Ring.
• Treten Sie Ihr eigenes Radverkehrskonzept in die Tonne.
• Erklären Sie der AGFS, dass Bochum Autostadt bleibt und treten Sie aus.
• Verfolgen Sie weiter eine Verkehrspolitik, die Menschenopfer fordert.

Diese Beschlussvorlage ist zynisch, verlogen, menschenverachtend und fahrradfeindlich.
Weiter So!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

[Der Änderungsantrag zur Beschlussvorlage von SPD und Grünen wurde erst unmittelbar vor Sitzungsbeginn eingereicht und war mir zum Zeitpunkt der Stellungnahme unbekannt.]

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