»Semi-Protected Bike Lane«

Trennsteine Hattinger Straße: Die Gefahr ist kaum erkennbar

Bild: Trennsteine Hattinger Straße: Die Gefahr ist kaum erkennbar.

Halber Schutz ist ganzer Unsinn.

Die Bochumer SPD hat tatsächlich den angeblich geschützten Radfahrstreifen an der Hattinger Straße schon im November 2019 auf Twitter als »Semi-Protected Bike Lane« bezeichnet.

SPD Bochum-Ehrenfeld: Semi-Protected Bike Lane.
»“semi protected bike lane“ zur klaren Trennung zwischen Rad- und Autospur, damit die Parkplätze erreicht werden können.« – das spricht für sich.

(https://www.radwende-bochum.de/2019/12/02/900-m-radweg-soll-auf-der-hattinger-strasse-errichtet-werden/).

Auf solche Ideen kommt auch nur die SPD – wenn eine Autopartei sich als fahrradfreundlich ausgeben will.
»Protected Bike Lanes« sind durch genau ein Merkmal definiert: Kein Auto kann auf diesen Sonderweg für den Radverkehr fahren.

Eine »Semi-Protected Bike Lane« ohne dieses Merkmal ist also das Gegenteil einer »Protected Bike Lane«: Der Schutz wird nur suggeriert und der Radverkehr dadurch tatsächlich gefährdet. Das ist die Art von »Sicherheit«, der Radfahrer auch beim Rad fahren auf Gehwegen auf den Leim gehen: Subjektiv sicher, objektiv gefährlich.

Der Begriff »Semi-Protected Bike Lane« wurde schon 2017 auf Reddit ironisch (!) für mangelhafte Bike Lanes vorgeschlagen. (https://www.reddit.com/r/NYCbike/comments/5th3no/semi_protected_bike_lane/).

An der Hattinger Straße hatte die ursprüngliche Beschlussvorlage diesen Trennstein nicht vorgesehen. Jedoch hatte die Rathauskoalition einen Änderungsantrag gestellt, dass die Verwaltung prüfen [!] soll, inwiefern „Radfahrerinnen und Radfahrern auf dem Radfahrstreifen zusätzlicher Schutz gegeben werden kann, zum Beispiel durch ein überfahrbares Element als Trennung zwischen Fahrbahn und Radfahrstreifen.“

Im Ergebnis wurde dann mitgeteilt, dass ein zusätzlicher Schutz der Radfahrer durch eine bauliche Trennung vorgenommen wird:
„Im Streckenabschnitt zwischen Bessemer Straße / Yorckstraße und der Schauspielhauskreuzung wird als zusätzliches bauliches Element ein Betonformstein eingebaut. Der Stein ragt 4 cm aus der Fahrbahn heraus und bildet neben der Breitstrichmarkierung eine markante Trennung zwischen Richtungsfahrbahn und Radfahrstreifen. Der Stein ist überfahrbar, so dass der Parkstreifen erreicht werden kann. 

(https://www.jensmatheuszik.de/2023/07/11/verkehrsfreigabe-erfolgt-baumassnahme-hattinger-strasse-bald-fertig-an-der-schauspielhauskreuzung-gefaehrliche-neue-lage/)

Das Tiefbauamt hatte die SPD-Idee als zwingenden Auftrag interpretiert, statt kompetent darauf zu antworten und den Vorschlag abzulehnen.

Dass das Bochumer Tiefbauamt zur Umsetzung dieser schrägen Idee der SPD dann auch noch einen speziellen Trennstein entwickeln ließ, um einen Radfahrstreifen für Autos und Fahrräder bauen zu können, schlägt dem Fass den Boden aus. Wenn man schon von der Politik keine Kompetenz in Sachen Radverkehr erwarten kann, das Tiefbauamt ist von Amts wegen zu Kompetenz verpflichtet.

Der damalige Vorsitzende des ADFC Bochum (und SPD-Ratsmitglied) Jens Matheuszik war noch im Januar 2024 stolz auf diese Idee:

Hier auf der Hattinger Straße gibt es den Versuch, durch einen neuartigen speziellen Trennstein eine Art Protected Bike Lane mit dem Radverkehr auf der einen Seite und dem motorisierten Individualverkehr und dem Parkverkehr zu kombinieren. Also vielleicht eine Semi-Protected Bike Lane. 

https://www.linkedin.com/pulse/die-zukunft-der-stadt-liegt-auf-stra%25C3%259Fe-nrwspd-vor-ort-bochum-nrwspd-ujmge

Dabei wusste er genau, was eine »Protected Bike Lane« ausmacht:

Als Protected Bike Lane wird ein geschützter Fahrradstreifen bezeichnet, auf dem ein Auto nicht aus Versehen drüberfährt, wie bei einer markierten Linie. Da bist Du auf dem Fahrrad durch eine bauliche Trennung geschützt. 

New York, 1st Avenue, Manhattan

Genau auf diese bauliche Trennung kommt es an. In den USA, wo das Konzept entwickelt wurde, werden »Protected Bike Lanes« eingesetzt, um auf Hauptverkehrsstraßen mit mindestens vier Fahrstreifen mitten in einer total auf das Auto ausgerichteten Infrastruktur sichere Radwege anlegen zu können – mit möglichst einfachen Mitteln. Da liegen dann Radfahrstreifen – manchmal sogar als Zwei-Richtungs-Radwege – auf der Fahrbahn zwischen Gehweg und fahrbahnseitigen Parkstreifen. Das geht nur mit einer nicht überfahrbaren Barriere, die breit genug ist, um vor achtlos aufgestoßenen Autotüren zu schützen.

New York, 5th Street, Brooklyn

Das sind die Merkmale von »Protected Bike Lanes«:

  • Bieten einen größeren Abstand zwischen Radfahrern und Kfz-Verkehr.
  • Verringern das Risiko des „dooring“ (ein Kraftfahrzeuginsasse öffnet seine Tür in den Weg eines Radfahrers).
  • Verringern oder verhindern das Blockieren des Radweges durch Kraftfahrzeuge und das Ausweichen von Radfahrern in den Mischverkehr.
  • Ermutigen Anfängern und weniger selbstbewusste Radfahrer zum Radfahren.

https://www.nycstreetdesign.info/geometry/protected-bike-lane
https://www.nycstreetdesign.info/geometry/two-way-bike-lane

Das hätten SPD und Tiefbauamt in Bochum besser mal vorher lesen sollen.

Die Installation dieser Trennsteine war sehr aufwendig. Sie sind nicht etwa nur aufgeklebt, sondern tief in die Fahrbahn eingelassen, um auch höchsten Belastungen (40-Tonnen-Lkw) auf Dauer standhalten zu können. Ebenfalls sehr aufwendig war die sinnlose Nachbesserung durch eine helle Beschichtung.

Noch aufwendiger wird die Entfernung dieser verkehrsgefährdenden Konstruktion, die besser heute als morgen stattfinden sollte.

Frage der SPD NRW an Jens Matheuszik:
»Auf dem Weg zu einer fahrradfreundlichen Stadt. Hast du dabei etwas gelernt?«

Jens Matheuszik: »Ich habe gelernt, dass das manchmal ein hartes Bohren von dicken Brettern ist und dass es manchmal etwas länger dauert.«

»Protected Bike Lane« an der Universitätsstraße im Originalzustand (September 2020): Zu schmal.

Bochum hat genau eine »Protected Bike Lane«: An der Universitätsstraße zwischen Wasserstraße und Brücke Waldring. Und auch die ist mangelhaft, weil der notwendige Sicherheitsraum vom Radweg zu der massiven Barriere fehlt. Im Winter werden Radfahrer zusätzlich durch überfrierendes Wasser gefährdet, das von der Fahrbahn durch die Barriere zur Entwässerung quer über den Radweg fließt.

Herne hat mit viel einfacheren Mitteln eine »Protected Bike Lane« auf dem Westring installiert – natürlich ohne Parkstreifen rechts daneben.

Schon 2019 hat der ADFC in seinem Positionspapier »Geschützte Radfahrstreifen« erklärt:

Empfehlenswert sind Breiten von mindestens 2,00 bis 2,40 Meter, damit Fahrräder in verschiedenen
Ausführungen einander komfortabel überholen bzw. nebeneinander fahren können, zuzüglich einer
Schutzzone und Entwässerungseinrichtungen.
Die Schutzzone (Sperrfläche}, die den Geschützte Radfahrstreifen von der Kfz-Fahrspur trennt, muss so
breit sein, dass die verwendeten physischen Trennelemente sowohl ausreichend Abstand zur Kfz-Spur als
auch zur Radfahrspur haben. Sie sollten also mindestens 0,85 Meter breit sein bzw. je nach Art der
Einbauten (Trennelemente) auch breiter. Um Türöffner-Unfälle zu vermeiden, muss der
Sicherheitsabstand zu parkenden Autos mindestens 0,75 Meter betragen.

https://www.adfc.de/artikel/adfc-positionspapier-geschuetzte-radfahrstreifen

SPD und Tiefbauamt hätten es wissen können und uns viel Ärger und viele Unfälle erspart:
Wie Bochum mit »Protected Bike Lanes« Unfälle verursacht.

Mehr zu »Protected Bike Lanes«:
https://www.adfc.de/artikel/geschuetzte-radfahrstreifen-protected-bike-lanes

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