Wann ist ein Radweg benutzungspflichtig?

Radfahrende dürfen auch die Fahrbahn nutzen

Ein Radweg muss drei Kriterien erfüllen, um benutzungspflichtig zu sein:

  1. Er muss fahrbahnbegleitend sein.
  2. Er muss entsprechend beschildert sein.
  3. Er muss benutzbar und zumutbar sein.

Nur wenn alle drei Kriterien erfüllt sind, ist ein Radweg benutzungspflichtig. Und mit jedem Schritt wird die Situation komplizierter.

1. Der Radweg muss fahrbahnbegleitend sein

Dieses Kriterium ist weitgehend unbekannt. Die VwV-StVO legen fest, dass ein Radweg nicht weiter als fünf Meter von der zugehörigen Fahrbahn abgesetzt sein darf, um als benutzungspflichtig gelten zu können.

»Der Radverkehr fährt nicht mehr neben der Fahrbahn, wenn ein Radweg erheblich (ca. 5 m) von
der Straße abgesetzt ist.« (VwV-StVO zu § 9 Absatz 3)

Radwege, die nicht fahrbahnbegleitend sind, können per se nicht benutzungspflichtig sein. Das gilt zum Beispiel für Bahntrassenwege, Radschnellwege und Radwege im Grünen, die ja unabhängig von Straßen selbständig geführt werden. Sonst könnten Radfahrer ja gar nicht mehr selbst entscheiden, wohin sie fahren wollen.

Daraus folgt: fahrbahnbegleitende Radwege beginnen und enden auf der Fahrbahn.
Ein Beispiel:
Der in Richtung Wattenscheid linksseitige, beschilderte Radweg an der Hansastraße ist trotz Beschilderung nicht benutzungspflichtig. Er ist weiter als fünf Meter von der Fahrbahn entfernt.

Zusätzlich ist er nicht durchgehend, man kann nicht alle Ziele an der Hansastraße von diesem Radweg aus erreichen und er hat weitere Mängel.

2. Der Radweg muss entsprechend beschildert sein

Hier kommen nur drei Verkehrszeichen in Betracht:

Zeichen 237 Radweg
Zeichen 237: Radweg. Ein Sonderweg, der ausschließlich von Fahrrädern benutzt werden darf.

Zeichen 241
Zeichen 241: Getrennter Geh- und Radweg. Der Radweg liegt direkt neben dem Gehweg. Rechtlich handelt es sich um zwei grundverschiedene Wege. Fußgänger dürfen nur den Gehweg, Radfahrer nur den Radweg benutzen. Ausweichen auf den anderen Weg ist verboten.

Zeichen 240
Zeichen 240: Gemeinsamer Geh- und Radweg. Fußgänger und Radfahrer benutzen dieselbe Verkehrsfläche. Konflikte sind vorprogrammiert.

Drei Benutzungspflichten

Grundsätzlich gilt für alle Fahrzeuge – also auch für Fahrräder – die Fahrbahnbenutzungspflicht.
Wenn ein Gehweg vorhanden ist, gilt für Fußgänger die Gehwegbenutzungspflicht.
Wenn ein Radweg vorhanden und in Fahrtrichtung mit einem der drei Verkehrszeichen ausgeschildert ist, gilt die Radwegbenutzungspflicht.

Bauliche Radwege (rechts vom Bordstein) sind laut StVO genauso Radwege wie auch Radfahrstreifen (links vom Bordstein).

Keine Benutzungspflicht besteht für Mehrzweckstreifen. Parkstreifen dürfen erst gar nicht befahren werden. Sie sind nicht Teil der Fahrbahn.

Schutzstreifen sind keine Radwege. Sie dürfen von Kfz befahren werden, wenn die Fahrbahn sonst zu schmal wäre, zum Beispiel im Begegnungsverkehr. Aber auch nur dann.

Ansonsten gilt: Alles, was wie ein Radweg aussieht, ist auch einer – aber ohne Benutzungspflicht. Im Zweifelsfall muss die Straßenverkehrsbehörde den Weg als Gehweg beschildern, um Irrtümer auszuschließen.

3. Der Radweg muss benutzbar und zumutbar sein

Dieses Kriterium ist bei weitem das schwierigste. Vereinfacht giIt: Ein Radweg darf Radfahrer nicht gefährden. Unbenutzbar sind Radwege beispielsweise wenn sie zugeparkt oder zugestellt sind oder Fußgänger auf ihnen laufen, so dass man dort nicht fahren kann.
Ob ein Radweg zumutbar ist, entscheidet sich im Endeffekt allerdings erst vor Gericht.
Naturgemäß sind Autofahrer, Polizisten und Radfahrer sehr oft unterschiedlicher Meinung, was »benutzbar« und »zumutbar« ist.

Allerdings sind Autofahrer sehr oft schon überfordert, wenn es nur darum geht, einen nicht benutzungspflichtigen Radweg als solchen zu erkennen und die Wahlfreiheit des Radfahrers zu respektieren. Die Stadt Bochum ist dazu übergegangen, für diese Fälle zusätzliche Hinweisschilder aufzuhängen.

Die VwV-StVO nennt Kriterien für die Anordnung einer Benutzungspflicht für Radwege:

»Die Benutzung des Radweges muss nach der Beschaffenheit und dem Zustand zumutbar sowie die Linienführung eindeutig, stetig und sicher sein. Das ist der Fall, wenn der Radweg unter Berücksichtigung der gewünschten Verkehrsbedürfnisse ausreichend breit, befestigt und einschließlich einem Sicherheitsraum frei von Hindernissen beschaffen ist. Dies bestimmt sich im allgemeinen unter Berücksichtigung insbesondere der Verkehrssicherheit, der Verkehrsbelastung, der Verkehrsbedeutung, der Verkehrsstruktur, des Verkehrsablaufs, der Flächenverfügbarkeit und der Art und Intensität der Umfeldnutzung.« (VwV-StVO zu § 2 Absatz 4 Satz 2)

Für die notwendige Breite eines Radwegs werden genaue Maße angegeben. Dazu kommen aber noch die differenzierten Anforderungen von ERA und EfA. Die geforderten Breitenmaße beziehen sich nur auf ein normales, einspuriges Fahrrad. Schon für einspurige Lastenräder, erst recht für mehrspurige Fahrräder kann so ein Radweg unzumutbar sein.

Wörtlich: »Die Führer anderer Fahrräder sollen in der Regel dann, wenn die Benutzung des Radweges nach den Umständen des Einzelfalles unzumutbar ist, nicht beanstandet werden, wenn sie den Radweg nicht benutzen.«

Dazu kommen laut VwV-StVO noch weitere Anforderungen an Radwege:

»Die Verkehrsfläche muss nach den allgemeinen Regeln der Baukunst und Technik in einem den Erfordernissen des Radverkehrs genügendem Zustand gebaut und unterhalten werden und
die Linienführung im Streckenverlauf und die Radwegeführung an Kreuzungen und Einmündungen auch für den Ortsfremden eindeutig erkennbar, im Verlauf stetig und insbesondere an Kreuzungen, Einmündungen und verkehrsreichen Grundstückszufahrten sicher gestaltet sein.«

Außerdem gelten für die Zumutbarkeit noch weitere Regeln, die in der VwV-StVO nicht erfasst sind.
Dazu gehören zum Beispiel die laut ERA unverzichtbaren Sicherheitstrennstreifen zu parkenden Kfz neben Radfahrstreifen. Fehlende Sicherheitstrennstreifen machen Radfahrstreifen unbenutzbar.
Ein Radfahrstreifen müsste dann ab Bordsteinkante mindestens 2,75 m breit sein, um noch zumutbar zu sein.

Was gilt denn, wenn Linksabbiegen in eine andere Straße vom Radweg aus nicht möglich ist? Ist der Radweg dann noch benutzbar und zumutbar? Wenn nein, an welcher Stelle beginnt die Unzumutbarkeit?

Dazu Bernd Sluka: »Unbenutzbar sind Radwege beispielsweise, wenn sie nicht in die Richtung führen, in die man fahren will. … Ist der Radweg alle paar hundert Meter unbenutzbar, muss er auf der ganzen Strecke nicht befahren werden, weil ein ständiger und nicht gerade ungefährlicher Wechsel zwischen Radweg und Fahrbahn nicht zugemutet werden kann.« (http://bernd.sluka.de/Radfahren/rechtlich.html)

Ausweichen auf den Gehweg ist immer verboten, außer es gilt »Radfahrer frei«, dann aber auch nur mit Schrittgeschwindigkeit (d.h. Überholen von Fußgängern ist verboten).

Eins ist (ziemlich) sicher: Radfahrer dürfen nicht zum Absteigen gezwungen werden. Denn dann werden sie zu Fußgängern. Da werden Grundrechte berührt.

Was also ist »unzumutbar«? Das weiß, wie der Volksmund sagt, Gott allein oder das hohe Gericht.

Mit jeder Novelle der StVO wurde die Situation komplizierter – für alle Verkehrsteilnehmer. Einfacher wäre es gewesen, klare Mindestanforderungen an Radwege zu definieren. Dann wären aber sehr viele, wenn nicht die meisten, Radwege auf einen Schlag weggefallen. Für »andere Radwege« ohne Benutzungspflicht gelten übrigens dieselben Qualitätsanforderungen wie für benutzungspflichtige. Mängel an Radwegen sind kein Kriterium für die Abschaffung der Benutzungspflicht. Trotzdem ist das gängige Praxis: Das Schild wird entfernt, der Radweg bleibt ungenügend. So kann man verkehrsgefährdende Radwege herstellen.

Für die Benutzungspflicht gibt es nur zwei Kriterien:

  • »Benutzungspflichtige baulich angelegte Radwege dürfen nur angeordnet werden, wenn ausreichende Flächen für den Fußgängerverkehr zur Verfügung stehen.«
  • »Sie dürfen nur dort angeordnet werden, wo es die Verkehrssicherheit oder der Verkehrsablauf erfordern. Innerorts kann dies beispielsweise für Vorfahrtstraßen mit starkem Kraftfahrzeugverkehr gelten.«

Der Radfahrer muss aber jederzeit eigenständig entscheiden, ob er durch die Benutzung eines Radwegs sich selbst oder andere gefährdet.

Beispiele:
Wittener Straße 101
Dorstener Straße
Herner Straße
Viktoriastraße
und viele andere mehr.

Weitere Erläuterungen:
http://bernd.sluka.de/Radfahren/rechtlich.html
https://www.mystrobl.de/ws/fahrrad/50gruende.txt (1994)

Gibt es in Bochum einen beschilderten und fahrbahnbegleitenden Radweg, der über jeden Zweifel erhaben ist, was Benutzbarkeit und Zumutbarkeit angeht?

Ein Kommentar bei „Wann ist ein Radweg benutzungspflichtig?“

  1. Hallo,
    woraus ergibt sich denn eigentlich die Aussage, dass ein Radweg nur dann benutzungspflichtig sein kann, wenn er fahrbahnbegleitend ist? Nur daraus, dass ansonsten unklar sein könnte, ob er in die gewünschte Richtung führt, oder gibt es da noch andere (explizite) Aussagen in der StVo oder den Verwaltungsvorschriften? Und dann liest man gelegentlich, dass ein Radweg auch nur dann benutzungspflichtig sein kann, wenn er dieselben Vorfahrtsrechte hat wie die Straße, die er begleitet – auch dazu habe ich bisher nirgendwo etwas Belastbares gefunden. Gibt es dazu Urteile oder festgeschriebene Normen?
    Viele Grüße,
    Michael

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