Wenn man die Unfallkarte betrachtet, ist es leicht zu erkennen: Auf der Dorstener Straße häufen sich die Unfälle wie auf keiner anderen Straße.

*Alle Abbildungen: Unfallatlas Deutschland. Datenlizenz Deutschland – Namensnennung – Version 2.0
Allerdings gelten für die Aussagekraft des »Unfallatlas Deutschland« wesentliche Einschränkungen:
- Im Unfallatlas werden ausschließlich polizeibekannte Unfälle erfasst.
- Im Unfallatlas werden ausschließlich Unfälle mit Personenschaden erfasst.
- Der Unfallatlas ist nicht tagesaktuell, sondern wird nur einmal im Jahr aktualisiert.
Das bedeutet: Ein Unfall mit beteiligten Radfahrer wird dort nicht erfasst wenn
- die Polizei nicht gerufen wurde
- die Polizei gerufen wurde, aber niemand verletzt wurde
- der Unfall weniger als ein Jahr nach dem Abschluss der letzten Unfallstatistik geschah.
»Die Aktualisierung des Unfallatlas erfolgt im Rahmen der Veröffentlichung der endgültigen Jahresergebnisse der Straßenverkehrsunfallstatistik. Diese werden im Juli nach Ablauf des Berichtsjahres veröffentlicht.«
Aufgrund dieser wesentlichen Einschränkungen zeigt die Unfallkarte gerade einmal die Spitze des Eisbergs. »Bagatellunfälle« nur mit Sachschaden werden grundsätzlich nicht dargestellt und auch Unfälle mit verletzten Radfahrern tauchen nicht auf, wenn die Polizei nicht verständigt wurde. Das kann bei leichten Verletzungen oft so sein und erst recht, wenn es sich um einen Alleinunfall ohne Beteiligung eines Autofahrers handelt.
Das Dunkelfeld der polizeilichen Unfallstatistik
Polizeidirektor Wolfgang Packmohr (Essen): »Uns werden nur 10 bis 20% der Alleinunfälle bekannt.«
Eine Studie des Universitätsklinikums Münster (UKM) hat 2010 ergeben, dass der Polizei nur etwa ein Drittel der Fahrradunfälle bekannt sind, bei denen Personen im Krankenhaus behandelt werden mussten.
Das sind in aller Regel die Unfälle mit Personenschaden, an denen Autofahrer beteiligt waren.
2.250 Fahrradunfälle verzeichnete die erstmals in dieser Form durchgeführte Fahrradstudie. Polizeilich erfasst wurden davon 723 Unfälle. Dies bedeutet, dass ca. 68 % aller Unfälle mit verletzten Radfahrern von der Polizei nicht erfasst wurden. Die hohe Dunkelziffer besteht auch bei schweren Unfällen.
Nicht erfasst wurden zudem auch die Daten von Patienten, die sich bei niedergelassenen Medizinern behandeln ließen. Die Dunkelziffer ist in der Realität also sogar noch höher. Die hohe Dunkelziffer ist zu einem großen Teil durch den hohen Anteil an Alleinunfällen zu erklären.
Dooring-Unfälle
Dooring-Unfälle sind statistisch nicht sehr häufig, erfüllen aber sehr oft alle Kriterien für die Aufnahme in den Unfallatlas: Verletzungen, auch schwere, sind die Regel und es ist immer ein Autofahrer beteiligt.
Die Dorstener Straße fällt im Unfallatlas gleich mehrfach auf:
- Die Dorstener ist die einzige Straße in Bochum mit roten Markierungen für häufige Unfälle (mehr als vier in einem Jahr)
- Die Fahrradunfälle verteilen sich linear fast auf die gesamte Straßenlänge vom Kortländer bis zur A40.
Der Unfallatlas unterteilt Straßen in Abschnitte von 250 Metern Länge. Es gibt in ganz Bochum nur zwei rot markierte Straßenabschnitte mit mehr als drei Unfällen im Jahr. Beide liegen auf der Dorstener Straße.
- Im Innenstadtbereich, zwischen Kortländer und Westring
- zwischen Bahnhof Hamme und Feldsieper Straße


Berücksichtigt man zusätzlich das zugrundeliegende Verkehrsaufkommen, insbesondere die Menge der Radfahrer auf dieser Straße, kann kein Zweifel bestehen:
Die Dorstener Straße ist für Radfahrer der Unfallschwerpunkt in Bochum überhaupt.
Zwischen Herner Straße und A40 ist die Dorstener Straße im Unfallatlas fast durchgehend farbig markiert. Es gibt fast keinen unfallfreien Abschnitt. Und das Besondere dabei: Obwohl die meisten Unfälle an Kreuzungen passieren, verteilen sich die Unfälle hier über die ganze Strecke. Da, wo die meisten Unfälle geschehen, gibt es gar keine Kreuzungen.
Das lässt nur einen Schluss zu:
Das Gefährlichste an der Dorstener Straße sind die Radfahrstreifen.
Die dichte Führung entlang der Parkstreifen ohne jeglichen Sicherheitsraum eröffnet ein enormes Konflikt- und Unfallpotential für den Radfahrer. Diesem wird durch ‚seinen‘ Streifen eine Sicherheit vorgegaukelt, die er definitiv nicht hat. Polizei und Straßenverkehrsamt schätzen die Situation genauso ein.
Tiefbauamt Bochum, Beschlussvorlage 20102436
Die Stadt Bochum kennt die Gefahrenursache seit 15 Jahren ganz genau, aber sie ist – allen Bürgeranregungen zum Trotz – nicht bereit, daran etwas zu ändern.
Schönfärberei – hier mit roter Farbe – ändert daran nichts.
Ist die Dorstener Straße Bochums gefährlichste Straße für Radfahrer?
Der Unfallatlas kann diese Frage nicht beantworten. Er kennt überhaupt nur einen Bruchteil aller Unfälle. Und: Auf der für Radfahrer gefährlichsten Straße gibt es möglicherweise gar keine Fahrradunfälle.
Da, wo Radfahrer die größte Angst haben, fahren sie erst gar nicht. Wo niemand Rad fährt, gibt es auch keine Fahrradunfälle. Auch so kann man einen Spitzenplatz in der Unfallstatistik erreichen: Terror hilft.
Polizeiliche Verkehrsunfallstatistik 2023
Verkehrsunfälle in Bochum mit Beteiligung von:
- Pkw: 469 (Modal Split: 63 %)
- Fahrrad: 296 (Modal Split: 7 %)
- Fußgänger: 149 (Modal Split: 14 %)
- Motorrad: 102
- E-Scooter: 44
Gemessen an ihrer prozentualen Verkehrsbeteiligung (Modal Split) leben Radfahrer in Bochum gefährlich.
Dorstener Straße: Die rote Linie – Rote Farbe ist keine Lösung
Benutzungspflichtige, aber nicht benutzungspflichtige Radwege – Wattenscheider und Hansastraße Einfach nur geradeaus fahren – Die zehn schlimmsten Kreuzungen in Bochum
Alleestraße: Nur Autos im Kopf – Einfach geradeaus fahren
»Semi-Protected Bike Lane« – Trennsteine Hattinger Straße
Dooring-Unfälle: Besser kein Radweg als ein schlechter – Dooring-Unfall Herner Straße