Die Stadt Bochum tut etwas für Radfahrer. Aber was?

Bochum OpenTopoMap

Bild: Bochum, OpenTopoMap CC BY-SA 3.0
Wenn man etwas genauer hinsieht, fällt zuerst auf:

  • Alle Bahntrassenwege sind nicht von der Stadt Bochum gebaut, sondern vom RVR.
  • Der Radschnellweg RS1 ist ein Projekt des Landes NRW.
  • Wenn Straßen saniert oder umgebaut werden, müssen Radwege angelegt werden, sonst gibt es keine Fördermittel. Bochum wird also gezwungen.

Was hat die Stadt Bochum bis hierhin für Radfahrer getan? Nichts.

Die Oskar-Hoffmann-Straße zwischen Universitätsstraße und Steinring hat die Stadt Bochum absichtlich nicht saniert. Sonst müsste die Radwege anlegen, dafür müssten Parkplätze auf den Gehwegen und der Fahrbahn wegfallen. Also wird nicht saniert, obwohl die Stadt Bochum selbst sagt:

Es gibt keinen Anspruch auf Parkflächen im öffentlichen Raum

Es gibt eine Ausnahme: Die teilweise realisierte Veloroute #11 (Essener Straße und Wattenscheider Hellweg), aber auch da gab es sofort wieder einen großen Schritt zurück. Und von der Veloroute nach links abbiegen ist subjektiv und objektiv gefährlich.

Ebenfalls nicht für Bochum sprechen einige andere Projekte:

  • Protected Bike Lanes, die Unfälle verursachen (Hattinger Straße, Universitätsstraße).
  • Fahrradstraßen, die keinen Vorteil bieten.
  • Ein Radkreuz, das durch Fußgängerzonen führt (Husemannplatz).
  • Die Kreuzung am Schauspielhaus (Links abbiegen?).
  • Und nicht zuletzt: Das Radverkehrskonzept (RVK) der Stadt Bochum von 2023.

Über 60 Jahre nach Gründung der RUB, fast 40 Jahre nach dem »Pilotprojekt Radwege- und Beschilderungsplan Bochum«, 10 Jahre nach dem Opel-Ende in Bochum:

Welche Hauptverkehrsstraßen in Bochum haben durchgehende Radwege?

Auf dem Bochumer Stadtgebiet gibt es nur vierzehn Straßen, die tatsächlich Hauptverkehrsstraßen sind.
Acht Radialstraßen und sechs weitere.

Die Radialstraßen:

  1. Herner Straße, vollständig im RVK. Größtenteils gar keine Tempo-50-Straße mehr.
  2. Castroper Straße und Harpener Hellweg, nur teilweise im RVK.
  3. Wittener Straße (B226), nur teilweise im RVK. Könnte jetzt »Stadtstraße« sein, wie schon im Bereich mark 51°7 geplant..
  4. Universitätsstraße, nur teilweise im RVK. Das Stück RUB bis A43 fehlt.
  5. Viktoriastraße / Königsallee, vollständig im RVK.
  6. Hattinger Straße, nur teilweise im RVK.
  7. Alleestraße / Essener Straße / Wattenscheider Hellweg, vollständig im RVK. Jetzt teilweise eine Veloroute. Tatsächlich eine Fernstraße Richtung Essen.
  8. Dorstener Straße (B266), vollständig im RVK.

Die sechs weiteren Straßen:

  1. Innenring (B226), im RVK nur Südring / Kurt-Schumacher-Platz. Der ganze übrige Innenring fehlt.
  2. Städtering (Sheffield-, Nordhausen-, Oviedoring), Kraftfahrstraße aber Gemeindestraße. Nicht im RVK
  3. Castroper Hellweg (Stufe 2, Stufe 1 zwischen A40 und A43), vollständig im RVK.
  4. Ückendorfer Straße – Lyrenstraße – Berliner Straße – Zeppelindamm – Munscheider Damm (L651 ) – Wuppertaler Straße (L651). Die Nord-Süd Verbindung zwischen Gelsenkirchen und Hattingen. Bis auf die Wuppertaler Straße im RVK.
  5. Werner Hellweg, Verbindung nach Dortmund, vollständig im RVK .
  6. Hauptstraße (Langendreer, B235), nicht vollständig im RVK.

Von den vierzehn Hauptverkehrsstraßen sind also gerade einmal sechs vollständig im Untersuchungsgebiet des Radverkehrskonzepts enthalten. Mit anderen Worten: Das Radverkehrskonzept versagt schon im Ansatz: Bei der Definition des Untersuchungsgebiets.

»Der Verkehr« ist aber nicht nur Kfz-Verkehr. Verkehrsplanung muss sich an den Bedürfnissen aller Verkehrsteilnehmer orientieren. Straßen sind für alle da, sie dienen dem Gemeingebrauch.

Auch Kraftfahrstraßen müssen im Radverkehrskonzept berücksichtigt werden: Man muss die alternative Strecke für den Radverkehr darstellen.

Das »Pilotprojekt Radwege- und Beschilderungsplan Bochum« hatte schon 1988 festgestellt:

Soll durch das Radverkehrsnetz eine stärkere Benutzung des Fahrrads über den Nahbereich hinaus ermöglicht werden, so ist dieses Netz als Angebotsplanung zu entwickeln, die sich aus dem potentiellen Bedarf ableitet.
Die Angebotsplanung fragt nicht danach, wo derzeit viele Fahrradfahrer fahren, sondern wo sie fahren würden, wenn alle Straßen und Wege für den Radverkehr gleichermaßen geeignet wären.

Pilotprojekt Radwege- und Beschilderungsplan Bochum, Seite 10

Die Frage ist nicht, wo jetzt Radfahrer fahren (»eine empirische Erhebung von Radverkehrsströmen würde nur Zufallsergebnisse bringen« (ebd.), sondern wo sie fahren würden, wenn sie fahren könnten, wo sie wollen. Dazu müssten subjektive und objektive Sicherheit der Radfahrenden auf jedem Straßenkilometer gegeben sein.
Bochum hatte seit dem Pilotprojekt schon 36 Jahre Zeit für die Umsetzung. Daran muss sich die Stadt Bochum heute messen lassen.

Die geradlinigsten, kürzesten und gleichzeitig schnellsten Verbindungsstrecken des Alltagsverkehrs führen über die strahlenförmig vom Stadtzentrum abzweigenden Hauptausfallstraßen.

Langfristig ist daher ein Ausbau der Hauptausfallstraßen anzustreben, der das Sicherheitsbedürfnis des Radverkehrs angemessen berücksichtigt.

Pilotprojekt Radwege- und Beschilderungsplan Bochum, Seite 16

Bochum hatte schon 1979 einen »Radwegeplan« entwickelt. Seitdem sind 45 Jahre vergangen.
Was heißt nach 45 Jahren »langfristig«?

Sogar Radverkehrskonzept der Stadt Bochum sagt (2023):

Besonders die Haupteinfallstraßen von Bochum wie die Herner Straße sind stark vom motorisierten fließenden Verkehr geprägt, sodass den Radfahrenden nur ein geringer Raum zugeordnet wird. (S. 74)

Wie viele Hauptverkehrsstraßen in Bochum haben 2024 durchgehende Radwege?

Genau eine von vierzehn Hauptverkehrsstraßen in Bochum hat überhaupt durchgehende Radwege: Die Herner Straße. Und die Radwege der Herner Straße sind qualitativ ungenügend. Das stellt sogar das Radverkehrskonzept fest:

Auffällig ist, dass viele Abschnitte mit Radfahrstreifen, trotz der Toleranzbereiche, das Regelmaß um rund 30 Zentimeter verfehlen. Als Beispiele sind hier der nördliche Teil der Herner Straße als auch die Dorstener Straße zu nennen. (S. 90)

Die Dorstener Straße ist nach der polizeilichen Unfallkarte (nur polizeibekannte Unfälle mit Personenschaden) die für Radfahrer gefährlichste Straße in Bochum.
Polizeidirektor Wolfgang Packmohr (Essen): »Uns werden nur 10 bis 20% der Alleinunfälle bekannt.«
Eine Studie des Universitätsklinikums Münster (UKM) hat 2010 ergeben, dass der Polizei nur etwa ein Drittel der Fahrradunfälle bekannt sind, bei denen Personen im Krankenhaus behandelt werden mussten.
Das sind in aller Regel die Unfälle mit Personenschaden, an denen Autofahrer beteiligt waren.
2.250 Fahrradunfälle verzeichnete die erstmals in dieser Form durchgeführte Fahrradstudie. Polizeilich erfasst wurden davon 723 Unfälle. Dies bedeutet, dass ca. 68% aller Unfälle mit verletzten Radfahrern von der Polizei nicht erfasst wurden. Die hohe Dunkelziffer besteht auch bei schweren Unfällen.

Nicht erfasst wurden zudem auch die Daten von Patienten, die sich bei niedergelassenen Medizinern behandeln ließen. Die Dunkelziffer ist in der Realität also sogar noch höher. Die hohe Dunkelziffer ist zu einem großen Teil durch den hohen Anteil an Alleinunfällen zu erklären.

Viele Hauptverkehrsstraßen in Bochum sind subjektiv und objektiv so gefährlich, dass sich niemand traut, dort mit dem Rad zu fahren. Keine Radfahrer bedeutet: Keine Unfälle, also Sicherheit?

Straßenabschnitte die die Vorgaben des RVK einhalten, muss man in Bochum mit der Lupe suchen.

Velorouten und Hauptrouten sollen einen Breitenzuschlag von mindestens 0,5 m erhalten, sodass zwei Radfahrende entspannt nebeneinander fahren können. (S. 79)

Radfahrstreifen an Hauptverkehrsstraßen müssten in Bochum also 2,50 m breit sein und selbstverständlich durch einen Sicherheitstrennstreifen von 0,75 m Breite von parkenden Kfz getrennt sein. An Dorstener und Herner Straße fehlen die Sicherheitstrennstreifen ganz oder sind zu einem großen Teil ungenügend ausgeführt.

Was tut die Stadt Bochum für Radfahrer?

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