Die Veloweiche – sogar einmal in Bochum

Veloweiche Universitätsstraße Markstraße

Bild: Veloweiche Universitätsstraße / Markstraße Richtung RUB (2024)
Die Veloweiche, hierzulande »Fahrradweiche« genannt, wurde vor etwa 40 Jahren in der Schweiz erfunden.
»Wir sind uns ziemlich sicher, dass die Erfindung der Veloweiche auf eine Person zurückgeht, die sowohl in der Gründungszeit der IG Velo im Kanton Bern als auch im Tiefbauamt des Kantons selbst sehr wichtig war für das Ausdenken und Umsetzen neuer Lösungen. Es handelt sich dabei um Oskar Balsiger, der in diesem Jahr verstorben ist.« (Matthias Scheidl, Pro Velo Kanton Bern).

Die Veloweiche soll die Gefährdung geradeaus fahrender Radfahrer durch rechts abbiegende Kraftfahrzeuge verringern, indem

  • Radverkehr und motorisierter Verkehr frühzeitig getrennt werden und
  • die Abbiegegeschwindigkeit der Kfz reduziert wird.

Die Veloweiche basiert also auf den zwei grundlegenden Prinzipien:

  • Speed kills – die kinetische Energie wächst im Quadrat der Geschwindigkeit
  • Einfach geradeaus fahren – die Verantwortung bleibt beim abbiegenden Verkehr

Praktisch gibt es zwei grundverschiedene Varianten:

  1. Auf Nebenstraßen ohne Radverkehrsanlagen
  2. Auf Hauptverkehrsstraßen mit Radfahrstreifen.

Auf baulichen Radwegen kann es keine Veloweichen geben. Der mögliche Vorteil von Radfahrstreifen gegenüber baulichen Radwegen liegt darin, dass eine geradlinige Führung im direkten Sichtfeld des Autofahrers erreicht werden kann, gerade auch im Bereich von Kreuzungen und Einmündungen.

Knotenpunkte müssen aus allen Knotenpunktzufahrten rechtzeitig erkennbar, begreifbar, übersichtlich sowie gut und sicher befahrbar bzw. begehbar sein.

ERA 2010, S. 37 und Radverkehrskonzept Bochum 2013, S. 27

Diese Regel gilt unbedingt und immer sowohl für Fußgänger als auch für Radfahrer und Autofahrer.

Dorstener Straße / A40: So nicht.

Bauliche Radwege werden oft weit abgesetzt und sehr verwinkelt mit abrupten Richtungswechseln geführt. In Bochum ist der Kreuzungsbereich mit der A40 an der Dorstener Straße ein Paradebeispiel für diese Problematik. Das Kreuzungsdesign mit unbedingter Priorisierung des motorisierten Verkehrs stammt wahrscheinlich noch aus den 1960er Jahren.

Dorstener Straße / A40, Fahrtrichtung Bochum
Dorstener Straße / A40, Fahrtrichtung Bochum: Freie Fahrt für rechts abbiegende Kfz, aber Radfahrer haben trotz Zick-Zack-Führung Vorrang – mit den Autos im Rücken.

Knotenpunkte sollen zügig und sicher befahrbar sein (Vermeidung enger Radien, hoher Borde, abrupter Verschwenkungen) und die Verkehrsräume freigehalten werden.
Es ist besonderes Augenmerk auf die Entschärfung des Konflikts zwischen geradeaus fahrendem Radverkehr und rechts abbiegenden Kraftfahrzeugen zu legen.

ERA 2010, S. 37

Von den Unfällen mit Radverkehrsbeteiligung dominieren an Knotenpunkten mit Lichtsignalanlage diejenigen, bei denen geradeaus fahrender Radverkehr mit bedingt verträglich signalisierten links- oder rechts abbiegenden Kraftfahrzeugen aus derselben Straße kollidieren.

ERA 2010, S. 44

Genau diese Gefahrensituation findet man im Kreuzungsbereich der Dorstener Straße mit der A40.

Die Universitätsstraße

Die Universitätsstraße in Bochum wurde ab 1962 zeitgleich mit dem Bau der Ruhr-Universität als völlig neue Straßenverbindung zwischen dem Bochumer Zentrum, der Universitätsstadt in Querenburg und der A43 mit Anbindung an die Wittener Straße gebaut. Im Kern verbindet sie die als Autouniversität geplante RUB mit zwei Autobahnen (A43 und A448/A40). Radverkehr war nicht eingeplant, sondern wurde als bedeutungslos auf die Gehwege abgeschoben. Das änderte sich erst nach dem Bau der U35, als auf der Restfläche des ehemaligen dritten Fahrstreifens zwischen Waldring und RUB West Radfahrstreifen angelegt wurden. Fertiggestellt wurden die Radfahrstreifen am 21.8.1999, fast vierzig Jahre nach dem Bau der Universitätsstraße.

Der Knotenpunkt Markstraße

Der Knotenpunkt Markstraße ist – wie an einer Autobahn – als niveaufreie Kreuzung ohne Ampeln auf der Universitätsstraße ausgeführt: Die Markstraße liegt eine Ebene tiefer. Das dient der maximal möglichen Beschleunigung des Autoverkehrs (und der U35) und gefährdet gleichzeitig den Radverkehr.

Folgerichtig musste die Kreuzung angepasst werden, um eine sichere Radverkehrsführung auf Radfahrstreifen zu ermöglichen. Die Abbiegegeschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge mussten an allen vier Ab- und Zufahrten da reduziert werden, wo sie die Radfahrstreifen kreuzen. Die einfachste Maßnahme dazu ist die Verkürzung des Verflechtungsbereichs von Rad- und Autoverkehr.

Das wurde zuerst an der östlichen Zufahrt von der Markstraße Richtung RUB West realisiert: Die »schleifende« Auf- und Ausfahrt wurde – sehr zum Ärger der Autofahrer – unterbrochen. Autofahrer können nicht mehr praktisch ungebremst in direkter Fahrt von der Markstraße in Richtung Uni West fahren, ohne überhaupt einmal auf die Fahrbahn der Universitätsstraße zu wechseln.

Universitätsstraße, Brücke über die Markstraße mit der unterbrochenen Auffahrt Richtung Uni West (2015). Auf der Brücke gibt es zwei Radfahrstreifen, der rechte kommt von der Markstraße.

Fußgänger wurden schon vorher durch einen Zebrastreifen »geschützt«. Jetzt haben auch Radfahrer Vorrang vor dem von der Markstraße kommenden Autoverkehr. Kompliziert wird die Situation, weil es auf der Universitätsstraße keine Radverkehrsführung geradeaus Richtung Uni Mitte gibt. Radfahrer werden an dieser Stelle zwangsweise von der Universitätsstraße entfernt. Ein unhaltbarer Zustand, der jetzt auch schon 25 Jahre existiert.

Auch die Auffahrt von der Markstraße auf die Universitätsstraße Richtung Bochum wurde durch die Verkürzung des Verflechtungsbereichs entschärft.

Universitätsstraße / Markstraße, Richtung Bochum. Rechts langer Verflechtungsbereich und kein Radfahrstreifen in der Ausfahrt. Im Hintergrund die mit Trennelementen entschärfte Auffahrt.

Anders die Ausfahrten von der Universitätsstraße auf die Markstraße. Sie blieben lange unverändert. Erst nach dem Umbau der Markstraße wurden auch in den Ausfahrten – soweit möglich – Radfahrstreifen angelegt. Und in der Folge entstand auf der Universitätsstraße in Fahrtrichtung RUB die – erste und einzige? – Veloweiche auf einem Radfahrstreifen in Bochum.

Veloweiche Universitätsstraße Markstraße
Richtige Veloweiche auf der Universitätsstraße, Abfahrt zur Markstraße. Radverkehr und motorisierter Verkehr werden frühzeitig getrennt. Die Geschwindigkeit der abbiegenden Kfz wird deutlich reduziert – solange die durchgezogene Linie beachtet wird. Zusätzliche Trennelemente zur Fahrbahn wären möglich und sinnvoll.
Gegenbeispiel: Unvollständige und daher unsichere »Veloweiche« auf der Markstraße. Radverkehr und motorisierter Verkehr werden nicht rechtzeitig getrennt. Die Abbiegegeschwindigkeit bleibt hoch.

Die älteste bekannte Dokumentation einer Veloweiche auf einer Hauptverkehrsstraße:
Die Neugestaltung der Tiefenaubrücke (B1) in Bern (Schweiz) 1986. Ein Vorzeigeprojekt in der Dokumentation zur Sicherung des Fahrradverkehrs, Schriftenreihe Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, Heft 74, Bundesanstalt für Straßenwesen, Köln 1989, S. 525f.
Die Veloweiche auf der Tiefenaubrücke ist bis heute unverändert erhalten und auf Luftbildern gut zu erkennen.

Veloweiche der anderen Art

Es gibt in Bochum auch eine Veloweiche an einer Nebenstraße ohne Radwege: An der Kreuzung Untere Marktstraße / Bleichstraße.

Autofahrer dürfen hier nicht nach rechts abbiegen. Die Verkehrsinsel ist dementsprechend gestaltet. Die Veloweiche hat hier den Sinn, Radfahrern das Abbiegen nach rechts trotzdem zu ermöglichen.

In der Schweiz wird die Veloweiche heute empfohlen, um Radverkehr bei einer abknickenden Vorfahrt zu sichern:

Dokumentation zur Sicherung des Fahrradverkehrs, Schriftenreihe Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, Heft 74, Bundesanstalt für Straßenwesen, Köln 1989, S. 182

Allerdings würde man das heute in Verbindung mit Radfahrstreifen oder mindestens Schutzstreifen in beiden Straßen kombinieren.

Was nicht geht, ist in Bochum eine beliebte »Lösung« des Problems:

Bochum Gerthe: Kirchharpener Straße / Lothringer Straße (2024). Abknickende Vorfahrt mit unvermitteltem Radwegende.
Das ist vorsätzliche Verkehrsgefährdung.

Empfehlenswerte Lektüre dazu:
https://www.astra.admin.ch/dam/astra/de/dokumente/langsamverkehr/handbuch-veloverkehr-kreuzungen.pdf.download.pdf/handbuch-veloverkehr-kreuzungen.pdf

Die ERA 2010 geben die gleiche Empfehlung (S. 42).

Präsentation von Oskar Balsiger zur Veloweiche und alternativen Lösungen vom 1. Steirischen Fahrradgipfel 2008: »Attraktiver Veloverkehr – Verhindern von baulichen und betrieblichen Hindernissen« am Beispiel einer Ortsdurchfahrt:
https://www.klimaaktiv.at/dam/jcr:ae5d49d2-0686-4741-93c3-3ed48c12c192/Balsiger_Hindernisse.pdf

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