Tempo-30-Zonen: Bochum war Vorreiter

Friederikastraße: Sie fahren 46 km/h

(Bild: Vor der Grundschule Friederikastraße: Sie fahren 46 km/h)
Das Jahr 1970 war der traurige Tiefpunkt in der Verkehrssicherheit: In Deutschland wurden 19.193 Menschen im Straßenverkehr getötet.
Dann kam 1972 die erste »Ölkrise« mit autofreien Sonntagen.
Mitte der 1970er gab es – nicht nur in Deutschland – eine breite Forderung von Bürgerinitiativen nach Tempo 30 in Wohngebieten. Grund war unter anderem die hohe Zahl von tödlich verunglückten Kindern.

Parallel dazu begann in den Niederlanden die Wandlung vom Autoland zum Fahrradland.

Stop de Kindermoord!

»die-in« Am 4.6.1977 demonstrierten 15.000 Fietsers auf dem Museumplein in Amsterdam.
Der Kampf zwischen Auto und Fahrrad in den Niederlanden: https://www.amsterdam.nl/nieuws/achtergrond/strijd-tussen-auto-fiets/

Bochum Rosenberg 1976: Tempo 30 für das gesamte Neubaugebiet

Im Bochum wurde von der Stadtverwaltung am 13. Februar 1976 für das gesamte Neubaugebiet Rosenberg, wie von der Bürgerinitiative „Rosenberg-Verein e. V.“ gefordert, eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h angeordnet.
Der Wahlbochumer Christoph Zöpel – Vorreiter der Radverkehrsförderung in NRW – war da schon Vorstandsmitglied des SPD-Kreisverbandes Bochum, Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Bochum, Mitglied des SPD-Landesvorstandes NRW und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Landtagsfraktion. Von 1980 bis 1990 war er NRW-Minister für Landes- und Stadtentwicklung bzw. für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr.

»Sonst jedoch sperren sich Stadtverwaltungen und Oberkreisdirektoren ebenso wie der ADAC und sogar die Deutsche Verkehrswacht gegen eine generelle Begrenzung auf Tempo 30 in Wohngebieten.«
(Ständige Angst – Immer mehr Bürgerinitiativen fordern Tempo 30 in Wohngebieten. (04.04.1976)

Der vorläufige Höhepunkt der Bemühungen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit war der Erlass des NRW-Ministers für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr vom 26. November 1976 über den Großversuch „Verkehrssicherheit in Wohngebieten“.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat in den Jahren 1977 bis 1979 einen ım Bundesgebiet bisher einmaligen Großversuch zur Verkehrsberuhigung in Wahngebieten durchgeführt. Die Erfahrungen aus diesem Versuch erwiesen sich als so positiv. dass sie mıt ausschlaggebend waren für die Aufnahme entsprechender Regelungen in die StVZO.

(https://www.landtag.nrw.de/Dokumentenservice/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD09-1180.pdf)

Die Landesregierung NRW erklärte folgerichtig schon 1981:
»Grundhaltung in der Verkehrssicherheitspolitik muss sein, dass sich der Autoverkehr an die Ansprüche und Verhaltensweisen der nicht motorisierten Benutzer des Straßenraumes anpasst.«
»Bereits der am 1. August 1980 in Kraft getretene § 3 Abs. 2a StVO verlangt von jedem Fahrzeugführer nicht nur in reinen Wohngebieten, sondern überall dort, wo mit schwächeren Verkehrsteilnehmern zu rechnen ist, eine gesteigerte Sorgfaltspflicht, die insbesondere eine Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und eine ständige Bremsbereitschaft umfasst. Die innerhalb geschlossener Ortschaften zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h ist in diesen Fällen in der Regel zu hoch.«

Mittlerweile fordert auch die FGSV die Priorisierung von Fuß- und Radverkehr gegenüber dem Autoverkehr, um die immer noch bestehenden Defizite auszugleichen.

Die erste Tempo-30-Zone in Buxtehude – gestartet am 14. November 1983 – war noch ein Modellversuch.
Die entsprechenden Verkehrszeichen 274.1 und 274.2 wurden bereits mit der Zonengeschwindigkeitsverordnung vom 19. Februar 1985 (BGBI. I, S. 385) für geschlossene Wohngebiete eingeführt und waren ursprünglich bis 31. Dezember 1989 befristet.
Mit der 10. StVO Novelle vom 9. November 1989 wurden die Zeichen mit der Einführung von Zonen mit zulässiger Höchstgeschwindigkeit dauerhaft in die StVO aufgenommen. »Tempo 30-Zonen« – noch mit einem Bindestrich – wurden erst mit der StVO Novelle vom 14. Dezember 2000 explizit in die StVO eingeführt. Die Zeichen 274.1 und 274.2 wurden dazu neu definiert:
»Die Zeichen bestimmen Beginn und Ende der Tempo 30-Zone. Mit den Zeichen kann auch eine niedrigere Zonengeschwindigkeit, zum Beispiel verkehrsberuhigter Geschäftsbereich, angeordnet sein. Es ist verboten, innerhalb der Zone mit einer höheren Geschwindigkeit zu fahren als angegeben.«

Es wäre schön, wenn die Erkenntnisse von 1981 mehr als 40 Jahre später auch in Bochum umgesetzt würden.

Der aktuelle Anteil von Tempo 30 am Straßennetz

Berlin 60,2 %, Essen 56,6 %, München 56,5 %, Bochum 47,4 %.
Berlin hat in seinem Straßennetz 27 % mehr Tempo 30 als Bochum. Bochum hat Nachholbedarf.
Karte und Übersicht zum Tempo-30 Anteil in Großstädten:
https://aktuell.nationalatlas.de/tempo_30-2_03-2023-0-html/

Wann wird die Friederikastraße endlich komplett in die angrenzenden Tempo-30-Zonen integriert?

Autoparken in Tempo-30-Zonen: Die Straßen sind zu schmal

Bochum hat also Nachholbedarf, was Tempo-30-Zonen angeht, ganz besonders aber beim verkehrsgefährdenden Parken in Tempo-30-Zonen und anderen Straßen mit Tempo 30.
Bei beidseitigem Parken ist die verbleibende Fahrbahn in aller Regel zu schmal für die Begegnung von Fahrrad und Auto. Benötigt werden dazu 4,85 m freie Breite zwischen den parkenden Autos:
2,10 m Auto + 2*0,5 m Seitenabstand + 1,0 m Fahrrad + 0,75 m Seitenabstand: 4,85 m.
Die Fahrbahnen in Tempo-30-Zonen sind oft nur 6,50 m breit. Aber auch 7,50 m Fahrbahnbreite reichen nicht für die Begegnung von Fahrrad und Auto. Im Begegnungsverkehr fehlen sehr oft mehr als 1,50 m Fahrbahnbreite.
Zum beidseitigen Parken müsste die Fahrbahn mindestens neun Meter breit sein.

Tempo 30 kann fehlende Sicherheitsabstände nicht ersetzen

Halbseitiges oder vollständiges Parken auf den Gehwegen schafft nur neue Probleme.

Die teilweise zugeparkte Gehbahn ist an den Betonplatten zu erkennen. Der Oberstreifen mit Kleinpflaster rechts ist nicht für Fußgänger gedacht. Der Unterstreifen links ist gar nicht mehr zu sehen. Er soll eigentlich vor den Autotüren schützen. Können Kinder hier unbesorgt Radfahren?

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Straßenverkehrs-Ordnung(Deutschland)
https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl
https://www.ab-nrw.de/umsetzungstipp/gehwege-und-fussgaengerbereiche.html#beispiele-tab

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