Fahrradstraßen – Fahrradfreundliche Straßen – Fahrradzonen

Fahrradstraße in Fürth (Bayern). Graf, Thiemo. Fahrradstraßen und Fahrradzonen. 2. Auflage 2021

Bild: Fahrradstraße in Fürth. (Thiemo Graf: Fahrradstraßen und Fahrradzonen. 2. Auflage, 2021 in (1))

Fahrradstraßen sind die klügste Möglichkeit, Radfahren schneller, einfacher und bequemer zu machen (und sicher sowieso).

Thiemo Graf (zitiert nach 1)

In Fahrradstädten fahren die Menschen Fahrrad, wenn Radfahren schneller, einfacher und bequemer ist (und sicher sowieso).

Thiemo Graf (zitiert nach 1)

Wird nicht nur eine einzelne Straße zur Fahrradstraße erklärt, sondern mehrere Straßen bzw. ein bestimmtes Gebiet, spricht man von einer »Fahrradzone«. In Fahrradzonen gelten die gleichen Regeln wie für Fahrradstraßen. Aber es kann immer nur eine Straße Vorfahrt haben.

In den aktuell noch geltenden technischen Regelwerken (ERA 2010, RASt 06) fehlen zu Fahrradstraßen noch konkrete Gestaltungsvorgaben.

Die Wahl des Verkehrsmittels wird zu 80 Prozent von subjektiven Aspekten beeinflusst – vom Sicherheitsgefühl bis hin zur wahrgenommenen Distanz.

Thiemo Graf (zitiert nach 1)

Also müssen Fahrradstraßen vom Fahrrad her gedacht werden. Essen hat das unter anderem auf der Altenessener Straße und auf der Rüttenscheider Straße vorgemacht: Durchgehend Vorfahrt fürs Fahrrad und keinerlei Barrieren im Weg. Fürth hat eine Fahrradstraße wie aus dem Bilderbuch realisiert.

Viele Autofahrer trauten zunächst ihren Augen nicht, war doch ihre gewohnte Strecke quasi über Nacht zur Einbahnstraße erklärt worden: Sie mussten Kehrt machen, während die Radler fröhlich weiterfahren durften. Als Ausweichroute hat die Dambacher Straße für den Autoverkehr ausgedient, nur Anwohner dürfen noch passieren, müssen aber wegen der neuen Einbahnregelungen Umwege in Kauf nehmen.
Die Gesamtkosten für die Fahrradstraße belaufen sich auf 280.000 Euro. Mit 80.000 Euro schlug die aufwendige Markierung und Beschilderung zu Buche, 140.000 Euro verschlangen die teilweise Erneuerung des Deckenbelags und die Umgestaltung der Parkflächen. (2)

Für Fahrradstraßen gelten klare Regeln:

  • Fahrradstraßen sind grundsätzlich dem Radverkehr vorbehalten.
  • Radfahrende dürfen in Fahrradstraßen nebeneinander fahren, auch in Gruppen.
  • in Fahrradstraßen ist höchstens Tempo 30 erlaubt.

Auch in Fahrradstraßen müssen fahrradfahrende Kinder unter acht Jahren – wie in anderen Straßen – den Gehweg benutzen.
Anderer Verkehr kann durch Zusatzbeschilderung zugelassen werden. Aber dann gilt:

  • Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Kraftfahrzeugverkehr die Geschwindigkeit weiter verringern.

Autofahrer sind also auf Fahrradstraßen nur geduldet.

Grundsätzlich sind Fahrradstraßen so zu gestalten, dass dem Kfz-Verkehr deutlich vermittelt wird, dass er hier nur zu Gast ist. (5)

Nicht vorgegeben ist die Vorfahrtregelung. In der Regel werden Fahrradstraßen gegenüber einmündenden Nebenstraßen aber als vorfahrtberechtigt ausgewiesen (Zeichen 301 »Vorfahrt« oder Zeichen 306 »Vorfahrtstraße«).

Entscheidend für den Erfolg einer Fahrradstraße ist die Qualität ihrer Umsetzung. Fahrradstraßen funktionieren nur dann wirklich gut, wenn sie gut gestaltet sind und den Radverkehr in den Mittelpunkt setzen. (4)

Aufgabe von Fahrradstraßen ist es, Nebenstraßen, die für den Autoverkehr nur Erschließungsfunktion haben für den Radverkehr als Durchgangsstraßen zu gestalten. Sie sind »Hauptverbindungen im Erschließungsstraßennetz« für den Radverkehr und sollen unterbrechungsfreies Radfahren ermöglichen. Eine hohe Reisegeschwindigkeit für den Radverkehr wird erreicht, wenn die Fahrradstraße gegenüber einmündenden Straßen Vorfahrt bekommt. (ERA 2010).

Auch eine Art von Fahrradstraße (Bochum, Nevelstraße an der Springorum-Trasse)

Durch »modale Filter«, die sich nur auf bestimmte Verkehrsarten auswirken, kann der Vorrang des Radverkehrs verstärkt werden: Ein Beispiel sind »unechte Einbahnstraßen« und nur für den Autoverkehr vorgeschriebene Fahrtrichtungen, die zu viel Autoverkehr herausfiltern ohne den Radverkehr zu behindern. Fürth und Essen haben es so gemacht.

Diagonalsperren mit Pfosten in der Fahrgasse einer Fahrradstraßen verhindern wirksam verbotenen Kfz-Verkehr, gefährden aber in Gruppen nebeneinander fahrende Radfahrende, weil die Nachfolgenden die Pfosten nicht rechtzeitig sehen können.

Die Breite der Fahrgasse – ohne gegebenenfalls erforderliche Sicherheitstrennstreifen zu parkenden Pkw – sollte mindestens 4 m Breite betragen, damit sich pro Fahrtrichtung jeweils zwei nebeneinander fahrende Radfahrer sicher begegnen können. Breiter als 5 m sollte die Fahrgasse wiederum nicht ausfallen, um zu hohen Geschwindigkeiten der Kraftfahrzeuge vorzubeugen. NRW empfiehlt 4,60 m.

Wenn überhaupt, dann sollen Kfz in Fahrradstraßen nur in Längsrichtung parken dürfen.

So gestaltete Fahrradstraßen sind nach den Vorgaben in NRW geeignet, um Radschnellwege durch Städte zu führen: »Die Radschnellverbindung (RSV) als Fahrradstraße ist insbesondere innerhalb bebauter Gebiete ein Element, das dem Radverkehr die bevorrechtigte Nutzung ermöglicht.« (5)

Fahrradfreundliche Straßen

Die »van Woustraat« war noch 2015 »Amsterdam’s worst street for cyclists« (6). Heute ist sie eine fahrradfreundliche Straße – aber keine Fahrradstraße..

Amsterdam, van Woustraat, 1983 und heute (6,7)

Für »fahrradfreundliche Straßen« gibt es keine Vorgaben. Hauptverkehrsstraßen in Großstädten können fahrradfreundlich gestaltet werden, wenn die regelkonforme Radverkehrsführungen haben. Umgekehrt sind Straßen in Tempo-30-Zonen nicht ohne weiteres fahrradfreundlich, zum Beispiel wenn sie durchgehend auf beiden Seiten zugeparkt werden und die verbleibende Fahrgasse im Begegnungsverkehr Fahrrad und Auto nicht mehr ausreicht.

Veloroute #1 Fahrradfreundliche Straße
Veloroute #1: Fahrradfreundliche Straße?

Entsprechend sieht das Radverkehrskonzept der Stadt Bochum fahrradfreundliche Straßen im Verlauf von Velorouten nur als »kurzfristig umsetzbare Übergangslösung« vor, die mittel- bis langfristig in Fahrradstraßen umgebaut werden. Die Frage ist: Was bedeutet »mittel- bis langfristig«?
Wie soll eine autofreundliche Straße »ohne den Wegfall von Kfz-Parkmöglichkeiten« fahrradfreundlich werden? Und wie soll mit »fahrradfreundlichen Straßen« auf Velorouten eine Reisegeschwindigkeit von 20-25 km/h erreicht werden?

»Fahrradfreundliche Straßen« erscheinen unter diesen Gesichtspunkten so sinnvoll wie »Semi-Protected Bike Lanes«. Die Diskussion um die Veloroute #1 zeigt, wie »Fahrradfreundliche Straßen« zum reinen Alibi-Projekt degenerieren.

Quellen:
1 https://www.agfk-bw.de/fileadmin/user_upload/21-10-05_01_T_Graf_Vortrag_Die-Fahrradzone.pdf
2 https://www.nordbayern.de/franken/fuerth/bahn-frei-erste-fahrradstrasse-in-furth-eingeweiht-1.11162498
3 https://de.wikipedia.org/wiki/Fahrradstraße
4 https://www.mobilitaetsforum.bund.de/DE/Themen/Fahrradstrassen/Fahrradstrassen_node.html
5 https://www.strassen.nrw.de/de/radschnellwege-in-nrw.html?file=files/a_snrw-2022/dokumente/01_planen-und-bauen/03-Radwege_doc/02_Radschnellwege-in-NRW/2020-11_Radschnellwege_Leitfaden-Planung-Bau-Betrieb.pdf&cid=37057
6 https://bikecity.amsterdam.nl/en/challenge-how-to-improve-amsterdams-worst-street-for-cyclists/
7 https://bikecity.amsterdam.nl/en/more-space-for-cyclists-and-pedestrians-on-van-woustraat/

Ein Kommentar bei „Fahrradstraßen – Fahrradfreundliche Straßen – Fahrradzonen“

  1. Peter Kampmann sagt:

    „Also müssen Fahrradstraßen vom Fahrrad her gedacht werden. Essen hat das unter anderem auf der Altenessener Straße und auf der Rüttenscheider Straße vorgemacht: Durchgehend Vorfahrt fürs Fahrrad und keinerlei Barrieren im Weg […]“

    Dem ersten Satz stimme ich voll und ganz zu. Dem zweiten allerdings, zumindest in Bezug auf die Rüttenscheider Straße, nur eingeschränkt – es sei denn, es hat sich grundlegend etwas geändert in 2024.
    Letztmalig war ich dort des öfteren in 2023 mit dem Fahrrad unterwegs und hatte nur im Ausnahmefall freie Fahrt. Grund: das hohe PKW- und Transporteraufkommen. Aufgrund der hohen Anzahl an motorisierten Fahrzeugen mit Parkabsicht stockte der motorisierte Verkehr dort sehr häufig und verhinderte einen flüssigen Fahrradverkehr, zumal entgegenkommende Fahrzeuge es oft unmöglich machten, an auf der Fahrbahn wartenden Fahrzeugen vorbeizukommen. Es stimmt zwar, daß es keine baulichen Behinderungen für Radfahrende gibt, aber das ist nach meiner dortigen Erfahrung eben nur die halbe Wahrheit.
    Im Gegensatz zu den vielen Beispielen unambitionierter Schaffung guter Fahrradinfrastruktur im Bochumer Stadtgebiet oder auch in Witten (in beiden Städten von Freizeitstrecken abgesehen) ist die Rüttenscheider Straße aber zumindest ein kleiner Fortschritt im Hinblick auf das Ziel mehr umweltfreundlichen Fahrradverkehr zu erreichen.

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