No-Go: Erzwungener Fahrstreifenwechsel

ASTRA Handbuch Veloverkehr in Kreuzungen, 2021

(Abb.: ASTRA Handbuch Veloverkehr in Kreuzungen, 2021, S. 46)
Wer im Internet nach »Erzwungener Fahrstreifenwechsel« sucht, findet Berichte über Unfälle und Beinaheunfälle von Autos. Fahrräder kommen nicht vor. In den ERA steht der Begriff auch nicht.
Zum Thema aber werden die Empfehlungen ungewohnt deutlich:

Wegen ihrer Konfliktträchtigkeit sind folgende Situationen zu vermeiden:
Durchgehende Fahrstreifen, die unmittelbar in Rechtsabbiegestreifen übergehen und den Radverkehr zum ungesicherten Wechsel auf den links angrenzenden Fahrstreifen zwingen.

ERA 2010, S. 37

Imperative sind selten in den ERA, hier aber angebracht. Durchgehende Fahrstreifen, die unmittelbar in Rechtsabbiegestreifen übergehen und den Radverkehr zum ungesicherten Wechsel auf den links angrenzenden Fahrstreifen zwingen, stellen eine Situation her, in der niemand mehr freiwillig Rad fährt.

In der polizeilichen Unfallstatistik zum Radverkehr – die bekanntlich sowieso notorisch unzuverlässig ist – tauchen diese Knotenpunkte (Kreuzungen und Einmündungen) dann folgerichtig gar nicht auf.

Wo niemand Rad fährt, verunglückt auch kein Radfahrer

Wo niemand Rad fährt, verunglückt auch kein Radfahrer. Das war über Jahrzehnte (seit 1962) die Grundlage der Verkehrssicherheit in Bochum. Radfahrer ab 60, die womöglich auch noch mit einem Pedelec durch die Stadt »rasen« (mit 25 km/h, höchstens), sind eine ernste Gefahr für diese Illusion von Straßenverkehrssicherheit. Also starteten Polizei, Ordnungsamt und Tiefbauamt eine »Geisterradlerkampagne« (13.08.2024) , um die Leute, die aus lauter Angst mit dem Fahrrad auf Gehwegen fahren, wieder auf die Fahrbahn zu zwingen. Fahrradfreundliche Straßen würden ja eine Welle der Empörung unter den Stammwählern der »etablierten« Parteien auslösen, denen doch als Autofahrern die Straße gehört (seit 1962).

Das Schweizer Bundesamt für Strassen (ASTRA) formuliert den Sachverhalt im Handbuch »Veloverkehr in Kreuzungen« anders:

Damit die vorgesehene Veloführung von einer breiten Nutzergruppe angenommen wird, sind Spurwechsel möglichst zu vermeiden. (S. 70)

Bei der Anordnung von Rechtsabbiegestreifen ist zu beachten, dass Velofahrende nicht zu einem gefährlichen und unkomfortablen Linksabbiegemanöver gezwungen werden, wenn sie geradeaus fahren wollen (vgl. Abb. 415). (S. 46)

Auch in Kreuzungen ohne Einmündung gilt: Linksabbiegemanöver für die
Geradeausfahrt sind zu gefährlich für den Veloverkehr (vgl. Abb. 419). (S. 47)

Unbedingt zu vermeiden: Geradeausspur, die nur mit einem Spurwechsel (Linksabbiegemanöver) erreichbar ist. (S. 80)

Gemeinsam ist der wiederholte Imperativ: »Unbedingt vermeiden«.

Folgerichtig ist die in beiden Regelwerken übereinstimmend verbotene Situation in Bochum häufig anzutreffen. Der eigentliche Skandal ist, dass zuletzt noch in diesem Jahr (2024) ein Knotenpunkt umgestaltet wurde, um genau so eine Situation neu herzustellen: am Abzweig Alleestraße / Wattenscheider Straße. Die ERA 2010 gelten seit 15 Jahren.

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