Bild: Viktoriastraße am Husemann-Karree: mit Radweg (15.01.2025)
Eine Fußgängerzone kann kein Radkreuz sein – aber das ist der Plan.
Die Viktoriastraße wird zum Brennpunkt, an dem sich die Fahrradfreundlichkeit der Stadt Bochum entscheidet. Auf der einen Seite träumt die Stadt ihren Traum vom Fußgängerparadies am Haus des Wissens, Husemann-Karree, Viktoriastraße und Husemannplatz. Auf der anderen Seite hat der Oberbürgermeister mit großem Pomp das Konzept Fahrradkreuz verkündet.
»Die Innenstadt wird zur Drehscheibe für den Radverkehr«1
Das Radkreuz ist der innerstädtische Verteiler für den gesamtstädtischen Radverkehr. Der direkte Weg quer durch die Innenstadt ist schneller, komfortabler und zugleich sicherer als der Weg über den Ring.
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch am 27. September 2023
Politik und Verwaltung gehen gleichzeitig wie selbstverständlich davon aus, dass die Viktoriastraße im Bereich des Husemannplatzes zur Fußgängerzone wird. Optisch soll der Husemannplatz bruchlos vom Husemann-Karree bis zur Kortumstraße reichen. Das ehemalige Viktoria-Karree wurde passenderweise flugs zum Husemann-Karree umbenannt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Einen formalen Beschluss für den faktischen Entfall der Viktoriastraße in diesem Bereich gibt es aber gar nicht. In der Beschlussvorlage 20221173 zum Husemannplatz steht nur:
Ost- und Westseite sind gerahmt von der Viktoriastraße und der Fußgängerachse der Kortumstraße.2

Das setzt eine selbständige Viktoriastraße, die selbstverständlich für den Fahrradverkehr geöffnet bleiben muss, voraus. Die Idee vom »Radkreuz« entstand erst ein Jahr später.
P.S.: Der ADFC Bochum hat der Stadt Bochum das Radkreuz schon im Januar 2013 vorgeschlagen, im »Radverkehrskonzept Bochum Mitte«.

Auch der ADFC Bochum hat den Konflikt erkannt und gefordert:
Der ADFC fordert, die Fahrbahn als Radspur zu erhalten, die ähnlich dem Bongard-Boulevard durch farbliche und taktile Elemente vom Fußgängerbereich abgegrenzt wird. Das stünde im Einklang mit der Vorlage des Verkehrskonzeptes Innenstadt, laut dem eine einheitliche und auffallende Gestaltung erforderlich sei.
Pressemitteilung des ADFC Bochum vom 18.09.2024
Auch im rot-grünen Koalitionsvertrag war zu recht die klare bauliche Trennung von Geh- und Radwegen bei Neuanlagen festgehalten worden. Die besonderen Anforderungen an die Sicherheit von Zufußgehenden und Radfahrer:innen seien grundsätzlich besonders zu beachten.
Auch dem Tiefbauamt ist der Konflikt sehr wohl bewusst:
Mir ist bewusst, dass dies für Radfahrende im Allgemeinen unzufriedenstellend ist, jedoch haben Verwaltung, Straßenverkehrsbehörde und Polizei die Planung analysiert und sind zu dieser Entscheidung gekommen, die politisch beschlossen wurde.
Thomas Plackert, Abteilungsleitung Straßenplanung und Verkehrstechnik im Tiefbauamt, am 23.01.2025
Drei Bauabschnitte für 350 Meter
Bochum unterteilt die 350 Meter Viktoriastraße vom Südring bis zum Rathaus in nicht weniger als drei Bauabschnitte, die zudem alle unterschiedliche Radverkehrsführungen erhalten sollen.
Es beginnt mit der extrem fahrradfeindlich gestalteten Kreuzung am Südring.
Für das erste Stück bis zur Tiefgarageneinfahrt gilt Tempo 50. Die Viktoriastraße hat auf beiden Seiten verkehrsgefährdende Radwege. Dieser Abschnitt soll zuletzt umgestaltet werden.
Ab der Tiefgarageneinfahrt gilt seit Jahren Tempo-20, wie auch in großen Teilen der Innenstadt, z.B. auf dem Boulevard und in der Brückstraße.
Für den letzten Abschnitt, Junggesellenstraße bis Rathauskreuzung (etwa 150 Meter) hat Bochum gerade eine Planung vorgelegt. In diesem Abschnitt ist motorisierter Verkehr unvermeidbar. Die Planung sieht hier die Ausweisung als »Verkehrsberuhigter Geschäftsbereich« mit Tempo 20 vor – genau wie in der Brückstraße. Dagegen ist nichts einzuwenden.
Aber die Viktoriastraße am Husemannplatz soll Fußgängerzone werden, Radverkehr nur noch mit Schrittgeschwindigkeit (6 km/h) zugelassen werden.
In einer Fußgängerzone haben Fußgänger absoluten Vorrang
Anderer als Fußgängerverkehr darf die Fußgängerzone nicht benutzen. Ist durch Zusatzzeichen die Benutzung einer Fußgängerzone für eine andere Verkehrsart erlaubt, dann gilt für den Fahrverkehr Nummer 2 zu Zeichen 239 entsprechend.
StVO Anlage 2 (zu § 41 Absatz 1) zu Zeichen Zeichen 242.1 und 239
Nummer 2 zu Zeichen 239: Ist durch Zusatzzeichen die Benutzung eines Gehwegs für eine andere Verkehrsart erlaubt, muss diese auf den Fußgängerverkehr Rücksicht nehmen. Der Fußgängerverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Fahrverkehr warten; er darf nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren.
Eine Fußgängerzone kann kein Radkreuz sein
Das Radkreuz braucht eine durchgehend mit mindestens Tempo 20 befahrbare Viktoriastraße. Der Radverkehr darf nicht zwischen Autoverkehr und Fußgängerverkehr eingeklemmt werden.
Natürlich könnte man auch den Innenring fahrradfreundlich machen. Der Aufwand wäre allerdings nicht zu unterschätzen. Bis jetzt ist der Innenring eine Vorbehaltszone für den Autoverkehr ohne jede Radverkehrsführung. Eine Lösung für die Viktoriastraße, die den Radverkehr gleichberechtigt behandelt, ist dagegen ein Kinderspiel.
Vom 24. Januar bis zum 02. Februar 2025 kann man sich auf der Beteiligungsplattform »bochum-mitgestalten.de/neugestaltung-viktoriastrasse-1-ba« zu dem Vorentwurf äußern und Anregungen einbringen – auch zum Thema Radkreuz.
Mehr dazu auf bovelo:
Radkreuz: Keine Vorfahrt fürs Fahrrad
Ein Radkreuz für Busse und Straßenbahnen
Fußnoten: