Bild: Südring Bochum 1962. Auf dem Weg zur Schule.
Für das erste Quartal 2025 hat die Stadt Bochum Pläne für neue Radwege am Südring angekündigt. Die sind für die Funktion des Radkreuzes in der Innenstadt unabdingbar: Die Universitätsstraße hat keine Anbindung an die Innenstadt.

All das führt zurück in das Schicksalsjahr 1962. Aus diesem Jahr stammt das ikonische Foto vom Südring.
1962: Fahrradhölle Bochum
Das Zechensterben war da schon längst im Gang. 1929 war Bochum mit 74 Schachtanlagen die zechenreichste Stadt in Europa. Nach dem 2. Wekltkrieg wurden viele Kleinstzechen vorübergehend reaktiviert. Das große Zechensterben begann in Bochum am Am 31. Januar 1959 mit der Zeche Lieselotte In Bochum-Querenburg. Am 27. Februar 1960 traf es zum ersten Mal eine Bochumer Großschachtanlage – die Zeche Prinz-Regent.1 Übrig blieb nur das Kraftwerk Springorum – heute Namensgeber der Springorum-Trasse – und das Kraftwerk Bochum. 1973 schloss die letzte Zeche in Bochum – Hannibal. Die Opel-Werke wurden auf Zechengelände gebaut.2 3 4
Das Jahr 1962 steht in Bochum für die radikale Kehrtwende zur »Autostadt«. 1962 begann die Autoproduktion in Bochum. Im selben Jahr erklärte die Stadt Bochum praktisch alle Radwege im erweiterten Innenstadtbereich zu Autoparkplätzen. Auch am Südring.
Der erste Kadett A wurde ab 1962 im neuen Opel-Werk gebaut. Zeitgleich wurden der Sheffieldring (und in der Folge der gesamte Außenring), der Opel-Ring, die Universitätsstraße und die RUB gebaut. Allesamt selbstverständlich ohne jede Rücksicht auf den Fahrradverkehr.
Der Beginn der Fahrradhölle Bochum.

Universitätsstraße 1975, gesehen von der Brücke Waldring, Blickrichtung Zentrum:
Tempo 70, drei Fahrstreifen ab Waldring, keine Radwege, in der Mitte die Straßenbahn.
Aus: fehr/koch: über die moderne art zu leben, anabas 1977, Seite 179. Foto von Michael Wolf.

1945-1962 Fahrradstadt Bochum
Verkehrszählung Bochum 1958: Südring und Hans-Böckler-Straße gehörten zu den Straßen mit den meisten Radfahrern.
(Zahlenangaben: 1. Zeile Mopeds, 2. Zeile Fahrräder)

Die Planungen unmittelbar nach 1945 sahen noch ganz anders aus: Bochum sollte eine Stadt für Fußgänger und Radfahrer werden mit einem ausgedehnten Radwege-Netz gerade auch an den Hauptverkehrsstraßen. Das Fahrrad war bis in die 1960er Jahre das Hauptverkehrsmittel im Ruhrgebiet, auch in Bochum. An vielen Straßen in Bochum kann man die alten Radwege bis heute sehen – es stehen nur Autos darauf. Zum Beispiel eben am Südring und auch an der Universitätsstraße, Hattinger Straße Kohlenstraße.

Die Kreuzungen an Südring müssen fahrradfreundlich werden
Wenn der Südring Radwege bekommen soll, müssen einige gravierende Probleme dabei gelöst werden. Bis jetzt ist keine Kreuzung am Südring auch nur annähernd radverkehrstauglich. Wenn der Südring Radwege bekommt, müssen alle Kreuzungen umgestaltet werden.
Wenn der Südring Radwege hat, muss es problemlos – also auch für Kinder auf dem Schulweg – möglich sein, mit dem Rad in und aus allen Kreuzungsarmen mit dem Fahrrad in jede Richtung zu fahren: Rechts, links und geradeaus. Eine selbstverständliche Basisanforderung. Bis jetzt ist das an keiner einzigen Kreuzung möglich.
Der kurze und der lange Südring
Der Südring beginnt – von West nach Ost gesehen – an der Kreuzung mit Westring, Rottstraße und Humboldtstraße und endet an der Universitätsstraße. Der Bereich vor dem Hauptbahnhof heißt »Kurt-Schumacher-Platz«. An der Wittener Straße beginnt der Ostring.
Dort befand sich früher das »Gymnasium am Ostring«. Südring und Ostring waren also schon 1962 Rad-Schulwege. Auch das kann man an dem ikonischen Foto von 1962 ablesen: Die Kinder, mit dem Rad auf dem Weg zu Schule, wurden gezwungen, auf der Fahrbahn zu fahren. Bis heute befinden sich die Technischen Berufskollegs 1 und 2 am Ostring. Da, wo früher das Gymnasium stand, befindet sich heute das neue Justizzentrum. Und es ist durchaus möglich, dass die Springorum-Trasse als Geh- und Radweg in Zukunft noch – wie ursprünglich geplant – bis dahin verlängert wird.
Radwege von der Rottstraße bis zum Nordbahnhof
Die Radwege am Südring müssen also von der Rottstraße bis zum Nordbahnhof reichen. Die Rottstraße wurde vor kurzem neu gestaltet – aber völlig ohne Radwege. Die Radwege am Südring müssen durchgehend und mindestens nach den Standards der ERA 2025 – oder besser nach Bochumer Standard angelegt werden: Nach dem Radverkehrskonzept von 2023 erhalten Radwege an Hauptverkehrsstraßen eine Breitenzuschlag:
Velorouten und Hauptrouten sollen einen Breitenzuschlag von mindestens [!] 0,5 m erhalten, sodass zwei Radfahrende entspannt nebeneinander fahren können.
RVK, Seite 79
Das gilt dann auch für den Südring: Die Radwege müssen netto – also ohne Sicherheitstrennstreifen – mindestens 2,50 m breit sein. Dazu hat Bochum sich selbst verpflichtet. Und natürlich muss jede anliegende Straße in beiden Fahrtrichtungen von diesen Radwegen aus problemlos erreichbar sein.

Die großen Kreuzungen am Südring
- Südring – Westring – Rottstraße – Humboldtstraße
Die heute kaum oder gar nicht lösbaren Aufgaben:- Fahren Sie von der Humboldstraße in die Rottstraße (oder den Westring oder den Südring).
- Fahren Sie vom Südring in die Rottstraße.
- Viktoriastraße
Die heute kaum oder gar nicht lösbaren Aufgaben:- Fahren Sie vom Westring her nach links in die Viktoriastraße zum Radkreuz.
- Fahren Sie Hbf aus nach links in die Viktoriastraße Richtung Schauspielhaus.
- Fahren Sie vom Rathaus her nach links in den Südring Richtung Hbf.
- Fahren Sie vom Schauspielhaus her nach links in die Rottstraße.
- Universitätsstraße
Die heute kaum oder gar nicht lösbaren Aufgaben:- Fahren Sie von der Universitätsstraße nach links Richtung Viktoriastraße.
- Fahren Sie von der Universitätsstraße in den Boulevard.
- Wittener Straße – Boulevard
Die heute kaum oder gar nicht lösbaren Aufgaben:- Fahren Sie von der Wittener Straße nach links Richtung Universitätsstraße.
- Fahren Sie vom Boulevard aus nach links Richtung Nordbahnhof.
Dazu kommen die kleineren Kreuzungen:
- Südring – Luisenstraße – Brüderstraße
- Fahren Sie geradeaus von der Luisenstraße in die Brüderstraße und umgekehrt.
- Fahren Sie von der Universitätsstraße her nach links in die Brüderstraße.
- Südring Hellweg
- Fahren Sie von der Universitätsstraße her nach rechts in den Hellweg.
- Fahren Sie von der Viktoriastraße her nach links in den Hellweg.
- Ostring – Scharnhorststraße
Mehr dazu auf bovelo.de:
- Neu am Südring: Freilichtmuseum für Radwege
- Südring Bochum 1962
- 12 Aufgaben für den (nächsten) Oberbürgermeister
- Meckern hilft ‒ manchmal ‒ ein bisschen
- Radkreuz: Keine Vorfahrt fürs Fahrrad
- 100 Jahre Radfahren in Bochum
- Das Fahrrad als »Nicht-Fahrzeug« – Vom Verschweigen der Drahtesel
Fußnoten:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Zeche_Prinz_Regent ↩︎
- https://www.waz.de/staedte/bochum/70-jahre/article214198249/bergmann-erinnert-sich-wie-die-kohlekrise-nach-bochum-kam.html ↩︎
- https://www.waz.de/lokales/bochum/article401836408/59-bochumer-zechen-auf-einen-blick.html ↩︎
- https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Bergwerken_in_Bochum ↩︎