»Fahrradstraße« Glockengarten – Noch eine Lücke im Radverkehrsnetz

Glockengarten am ehemaligen Eistreff

Ich habe im Namen des ADFC Bochum schon 2012 »angeregt«, die Straße Glockengarten in eine Fahrradstraße umzuwandeln. Bochum hat abgelehnt und lieber möglichst kurze, abgelegene und unbedeutende Straßen gesucht, um »Fahrradstraßen« zu schaffen, die keiner braucht. Einzige Ausnahme: die Brockhauser und Blankensteiner Straße im Ruhrtal, Teil des Ruhtalradwegs.

Dreizehn Jahre später soll jetzt endlich die Straße Glockengarten Fahrradstraße werden (Beschlussvorlage Nr.: 20241264) – aber nur zum Teil, sonst wäre die Aktion ja richtig sinnvoll.

Das Ganze geht zurück auf das »Pilotprojekt Radwege- und Beschilderungsplan Bochum« (1985-1988). Im Rahmen dieses – von der Stadt Bochum überhaupt nicht geliebten – Projekts wurde eine Alternativroute zur Wittener Straße entwickelt, denn die sollte und soll immer noch dem Autoverkehr vorbehalten bleiben, wie die Affäre um den Radweg vor dem Haus Nummer 101 nur zu deutlich zeigt.

Die Springorum-Trasse am Glockengarten 2002.

Das Pilotprojekt sah eine Hauptroute des Alltagsverkehrs vor, die von der Wittener Straße aus über die Düppelstraße und den Steinring in den Glockengarten verlaufen sollte. Von einer Springorum-Trasse war damals noch nicht die Rede. Mit dem Ausbau der Springorum-Trasse für Radfahrer und Fußgänger bekam diese Route noch mehr Bedeutung als Zubringer zur Trasse von der Innenstadt und die zweite Hälfte des Glockengarten als Zubringer von Altenbochum aus. Bis dahin bildete die Bahntrasse eine wirksame Barriere. Düppelstraße und Glockengarten sind auch unverzichtbar für das (nur) von der SPD geliebte Projekt Südumfahrung Wittener Straße.

In Laer wird die Wittener Straße zur »Stadtstraße« umgebaut, mit Gehwegen und Radwegen. Aber schon am Werner Hellweg, bei Möbel Hardeck, ist Schluss damit. Hat das Tiefbauamt nur zufällig vergessen, das Radfahrer hier geradeaus Richtung Altenbochum fahren könnten? In der vom Rat beschlossenen Planung war das jedenfalls nicht vorgesehen und damit unmöglich. Peinlich, peinlich. Nur einer hat´s gemerkt …

Wo bleibt die »Stadtstraße« Richtung Altenbochum, Zentrum und umgekehrt nach Langendreer?
Nicht einmal bei der Planung der neuen Wohngebiete nördlich der Wittener Straße durfte die Wittener Straße als Radverbindung zwischen dem Zentrum und Laer eine Rolle spielen. Genauso wenig als Verbindung zwischen Hauptbahnhof und Mark 51°7. Die neue Brücke über den Sheffieldring wurde absichtsvoll ohne Radwege gebaut.

Jetzt soll also der Glockengarten Fahrradstraße werden, aber nur halbherzig und nur die zweite Hälfte zwischen Springorum-Trasse und Altenbochum.

Die wirklichen Probleme liegen auf der anderen Seite – und sollen unberührt bleiben.

Blick von der Wittener Straße zur Düppelstraße
2025: Blick von der Wittener Straße zur Düppelstraße

Von der Wittener Straße aus – die ja jetzt endlich in diesem Bereich Radfahrstreifen hat – war die Düppelstraße 1985 mit dem Fahrrad nicht erreichbar – und ist es bis heute nicht. Schon im Pilotprojekt wurde die Ecke Wittener Straße – Ferdinandstraße – Düppelstraße als Problem definiert und ein Lösungsvorschlag erarbeitet. Die Stadt Bochum hat nichts gemacht. Selbst als später die Straßenbahngleise in der Ferdinandstraße stillgelegt wurden, hat die Stadt Bochum keine Radverbindung zur Düppelstraße geschaffen, es wäre ein Leichtes gewesen und ist es heute noch.

Genauso die Kreuzung Düppelstraße/Alsenstraße. Die Straßen wurden hier abgebunden um die direkte Durchfahrt zwischen Unistraße und Wittener Straße unmöglich zu machen, aber an einen Durchlass für den Radverkehr hat jahrzehntelang niemand gedacht.

Genauso wenig wurde eine Fahrradverbindung zwischen Düppelstraße und Glockengarten geschaffen. Bis heute ist das schwierig, unübersichtlich und umständlich. Definitiv nicht fahrradfreundlich und nicht familientauglich. Viele Radfahrer benutzen aus Not die Gehwege. »Geisterfahrer«, die die Stadt Bochum selber geschaffen hat.

Blick vom Glockengarten Richtung Düppelstraße (2014): Wo ist die Radverkehrsführung?

Schon 2012 hat die Stadt Bochum verkündet, innerhalb von fünf Jahren werde die Kreuzung Oskar-Hoffmann-Straße und Steinring in einen Kreisverkehr umgebaut. 2025 ist nichts davon zu sehen und es gibt keine Pläne für eine Radverkehrsführung im Kreuzungsbereich.

Dafür wurde der Glockengarten zwischen Steinring und Springorum-Trasse in einen Parkplatz umgebaut. Ständig gibt es dort gefährliche Konflikte mit ein- und ausfahrenden Autofahrern und dem unablässigen Parksuchverkehr mit den durchfahrenden Radfahrern. Ein Parkplatz taugt definitiv nicht als Radroute.
Die Stadt Bochum will nichts an der Situation ändern. Nicht einmal die mittlerweile vorgeschriebenen Sicherheitstrennstreifen zu den quer parkenden Kfz sollen markiert werden.

Ein vierfaches Desaster und das schon seit 1985.

Zur »Fahrradstraße Glockengarten« habe ich im Dezember 2024 eine Bürgeranregung gemäß GO NRW § 24 eingereicht und fünf Punkte angesprochen:

  1. Der Knotenpunkt Wittener Straße / Glockengarten / Lindengraben (Altenbochum)
  2. Der Knotenpunkt Glockengarten / Springorum-Trasse
  3. Der Knotenpunkt Oskar-Hoffmann-Straße (2 mal) / Steinring / Düppelstraße / Glockengarten
  4. Der Glockengarten zwischen Steinring und Springorum-Trasse
  5. Keinerlei Hindernisse in einer Fahrradstraße

Das Tiefbauamt hat dazu eine Beschlussvorlage (Nr.: 20250073) erstellt, die am 19.02.2025 im Ausschuss für Mobilität und Infrastruktur beraten und beschlossen wurde.

Das Tiefbauamt erklärt darin:

Zu Punkt 1 Wittener Straße / Glockengarten (Lindengraben kommt gar nicht vor):

Kreuzung Wittener Straße / Lindengraben / Glockengarten: Wo ist die Radverkehrsführung?

»Für die Gestaltung des Knotenpunktes Wittener Straße / Glockengarten wird im Rahmen der Vorentwurfsplanung zur Umgestaltung der Wittener Straße vom Amt 61 geprüft [!], ob eine Signalisierung nötig ist um eine sichere und leichte Befahrbarkeit für Radfahrende zur Fahrradstraße bzw. von dort kommend zu erreichen. Im Hinblick auf den Erhalt der Fahrbeziehungen wird die Trassierung des Glockengartens an den Knoten geprüft [!].«
Wie man als Linksabbieger aus Richtung Altenbochum in den Glockengarten die Straßenbahngleise sicher queren soll, wird gar nicht beachtet. Auch die Verbindung zwischen Lindengraben und Glockengarten wird nicht beachtet. Das ist ungenügend.

Zu Punkt 2 Glockengarten / Springorum-Trasse:

»Die Springorum-Trasse wird nach dem Umbau der Querung dem Glockengarten gegenüber vorfahrtberechtigt.«
Das war längst überfällig und notwendig. Aber wann wird die Vorfahrt am Rheinischen Esel geregelt, wo es einen Unfall zwischen einem Radfahrer und einer Radfahrerin kam – mit tödlichem Ausgang? Kein Handlungsbedarf? Und was ist mit den anderen Kreuzungen an der Springorum-Trasse, zum Beispiel am Waldring / Wiemelhauser Straße? Kein Handlungsbedarf?

Zu Punkt 3 Oskar-Hoffmann-Straße / Steinring / Düppelstraße / Glockengarten

»Der Knotenpunkt Oskar-Hoffmann-Straße/Steinring ist nicht Teil der Planung „Fahrradstraße Glockengarten“. Die Umgestaltung des KP wird aktuell im Rahmen einer anderen Maßnahme beplant.«
Die Planung war 2012 doch schon abgeschlossen? Bedeutet »mittelfristig« bei der Stadt Bochum nicht mehr fünf, sondern fünfzig Jahre?

Zu Punkt 4 Glockengarten zwischen Steinring und Springorum-Trasse:

»In diesem Bereich findet sehr wenig Parksuchverkehr statt. Es sind bisher keine Unfälle zwischen Radfahrenden und ruhendem Verkehr bekannt.«
Das ist purer Zynismus. Jeder, der mit dem Fahrrad dort entlangfährt weiß, dass das eine Lüge ist. Es gibt dort wirklich »keine Unfälle zwischen Radfahrenden und ruhendem Verkehr«, weil die Radfahrer selten gegen parkende Autos fahren. Das Problem sind die dort fahrenden (!) Autos. Das Tiefbauamt ignoriert die Gefahr vorsätzlich.
»Der Bereich liegt außerdem außerhalb der geplanten Fahrradstraße.« Genau das ist ja der Fehler!

Zu Punkt 5 Hindernisse:

»An zwei Stellen werden Aufpflasterungen erneuert [!], um den Kfz-Verkehr in Längsrichtung abzubremsen und die Überquerbarkeit für zu Fuß Gehende zu verbessern, da die Fahrbahn hier auf das Niveau des Gehweges angehoben wird. Es kommen Sinussteine zum Einsatz, die durch ihre große Anfahrtslänge den Komfort für Radfahrer nicht beeinträchtigen.«
Ich kenne solche vorsätzlichen Hindernisse in Fahrradstraßen aus keiner anderen Stadt. Die Stadt Bochum ist die einzige weit und breit. In keiner Richtlinie und keinem Leitfaden zu Fahrradstraßen sind solche Hindernisse vorgesehen. Das »fahrradfreundliche« Bochum steht ganz alleine da, wenn es darum geht, dem Radverkehr in Fahrradstraßen Hindernisse in den Weg zu bauen.
Die vorhandenen Aufpflasterungen sind mit dem Fahrrad nicht sicher befahrbar und gehören deshalb beseitigt. In Fahrradstraßen sind »Aufpflasterungen, um den Kfz-Verkehr in Längsrichtung abzubremsen« Unsinn. Dort kann und darf kein Kfz schneller fahren als ein Radfahrer. Und die dürfen Tempo 30 fahren.

Ich wünsche mir ein fahrradfreundliches Bochum. Aber dazu braucht es den politischen Willen und die fachliche Kompetenz. Wo ist das in Bochum zu sehen?

Jedenfalls nicht im Ausschuss für Mobilität und Infrastruktur am 19.02.2025. Der Ausschuss hat die Beschlussvorlage trotz meiner mündlich vorgetragenen Einwände ohne jede Diskussion einstimmig beschlossen. Fragt sich, ob überhaupt jemand meine Argumente gehört und vor allem verstanden hat.

Hoffen wir weiter.

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