Bild: Unfallstelle Herner Straße am Kortländer: In die Zange genommen.
Complete Street statt Protected Bike Lanes. Mischverkehr statt Radfahrstreifen.
Radfahrstreifen verschwinden zu Gunsten der Sicherheit des Radverkehrs!
Die Herner Straße war eine der ersten Straßen in Bochum, die Radfahrstreifen erhielt.
- 21.08.1999: Radfahrstreifen an der Universitätsstraße fertig. (Mit Demo zur Einweihung)
- 01.10.2000: Fast zeitgleich auch Radfahrstreifen an der Herner Straße (Bauabschnitt 1)
Jetzt soll sie die erste Straße werden, wo die Radfahrstreifen wieder verschwinden.
Begründung ist die ungenügende Verkehrssicherheit für Radfahrer:
Die Problematik besteht darin, dass die Radfahrstreifen nach den heutigen Vorgaben zu schmal sind und keinen Abstand (Sicherheitstrennstreifen) zu den parkenden Fahrzeugen vorweisen. Dies bedeutet, dass es immer wieder zu gefährlichen Situationen und Dooring- Unfällen kommen kann!
Beschlussvorlage Nr.: 20250552 für den AMI am 09.04.20251
Der Befund gilt natürlich nicht nur für die 100 Meter Herner Straße zwischen Kortländer und Nordring, sondern für die gesamte Herner Straße, die ganze Dorstener Straße und die Brückstraße.
Und daneben gilt das auch für alle anderen Straßen, an denen Radfahrstreifen oder auch Radwege ohne die erforderlichen Sicherheitstrennstreifen zu parkenden Kraftfahrzeugen vorhanden sind. Zum Beispiel die Markstraße mit den neuen Radfahrstreifen zwischen Tsukuba-Ring und Universitätsstraße.
An der Herner Straße sollen deshalb jetzt die Radfahrstreifen verschwinden:
Die Verwaltung hat daher eine Planung erarbeitet, bei der die Radfahrenden mehr Sicherheit erhalten und die Straße mehr Aufenthaltsqualität bekommt. … Die Radfahrstreifen und der Mittelstreifen entfallen. … Durch die Reduzierung der Geschwindigkeit wird die Sicherheit für die Radfahrenden deutlich verbessert.
Das neue Paradigma ist hier also: Tempo 20 statt Radwege. Mischverkehr statt Trennung der Verkehrswege. Das entspricht dem »Complete Street«-Ansatz, der Straßen primär als sozialen Raum begreift und nicht nur als Verkehrsmaschine (Paradigma »Leistungsfähigkeit«).

Der aufgeweitete Radaufstellstreifen (ARAS) am südlichen Ende soll erhalten bleiben.
Zusatzsignale für Radfahrer anbringen
Allerdings sollte die Ampel an der Kortländer-Kreuzung endlich die notwendigen Zusatzsignale für Radfahrer erhalten, damit sich Radfahrer nicht mehr den Kopf verrenken müssen, um von dem aufgeweiteten Radfahrstreifen die Lichtsignale überhaupt sehen zu können. Bochum hat das an vielen Stellen bereits gemacht, nur nicht hier, wo es wirklich notwendig ist.
Natürlich ist das hier einfach, weil die Herner Straße innerhalb des Innenrings nicht zum Vorbehaltsnetz gehört und keine Hauptverkehrsstraße ist.
Neu ist aber auch, dass künftig überall Rechts-vor-Links gelten soll. Radfahrer, die auf der Veloroute 1 aus der Widumestraße kommen, haben dann Vorfahrt gegenüber dem Verkehr auf der Herner Straße.

Einen kapitalen Fehler hat die neue Planung allerdings:
Weiterhin sollen Autos direkt angrenzend an die Fahrbahn parken. »Um das Parken zu erhalten, werden die Parkstände auf die alten Radfahrstreifen vorgezogen«. Die Anzahl der Parkstände soll unverändert bleiben, obwohl die Beschlussvorlage da widersprüchliche Zahlen nennt.
Das bedeutet: Auch hier müssen, obwohl keine Radfahrstreifen mehr vorhanden sind, nach den Vorgaben der FGSV 75 Zentimeter breite Sicherheitstrennstreifen markiert werden!
Das ist in der Planung aber nicht vorgesehen. Die Markierung ist wichtig, damit alle Radfahrenden den erforderlichen Sicherheitsabstand tatsächlich einhalten und alle Autofahrenden sehen, dass dieses Verhalten richtig ist. Durch die Umgestaltung sollen ja gerade Dooring-Unfälle wie der am 9. September 2024 ausgeschlossen werden.
De facto entsteht dadurch ein Überholverbot. Die Fahrstreifen sind mit Sicherheitstrennstreifen effektiv nur noch 2,50 m breit. Ein Radfahrer braucht 1,0 m Verkehrsraum, der vorgeschriebene Überholabstand ist 1,50 m, verbleiben 0 cm zum Überholen. Autos müssten zum Überholen also komplett nach links auf den entgegenkommenden Fahrstreifen wechseln. Der Abstand zu den vorfahrtberechtigten Nebenstraßen (Kanalstraße und Widumestraße) ist aber so gering, das das de facto gar nicht möglich ist.
Die Umgestaltung ist Teil des Konzepts »Radkreuz« und Teil der Radverkehrsstrategie namens BOvelo.
Die Erhöhung der Aufenthaltsqualität auf der Straße ist das erklärte Ziel der Maßnahme:
Die Herner Straße entwickelt sich in diesem Abschnitt zu einem neuen Quartier. Die Gastronomie weitet sich aus. Es findet Leben auf der Straße statt.
Die bisherigen Parkstreifen sollen – wie an der Große Beckstraße – »mit Bänken, Blumenkübeln und Radständern ausgestattet« werden.
Konsequenterweise müsste man das dann auch an der Brückstraße zwischen Hans-Böckler-Straße und Kortländer so machen. Und der Kortländer selbst, also der Platz an der Kreuzung der vier Straßen Brückstraße, Herner Straße, Dorstener Straße und Am Kortländer müsste eine hohe Aufenthaltsqualität bekommen und nahmobilitätsfreundlich werden.
Das bedeutet: der nicht motorisierte Verkehr muss sich zwischen allen vier Straßen ungehindert bewegen können. Ein hehres Ziel. Dann wäre auch die KoFabrik an der verkehrsberuhigten Stühmeyerstraße angebunden. Bis jetzt ist die Straße Am Kortländer für Radfahrende kaum erreichbar.
Ohne Sicherheitstrennstreifen zu parkenden Kfz taugt das alles nichts!
Siehe dazu hier auf bovelo.de:
FGSV: Ergänzende Anforderungen der ERA zur Erreichung von Klimaschutzzielen
Der Sicherheitstrennstreifen – mit Abstand sicher Rad fahren
Dorstener Straße: »Es gibt keinen Anspruch auf Parkflächen im öffentlichen Raum«?
Dorstener Straße: Wann hält Bochum sich endlich an die einfachsten Regeln?
Dorstener Straße: Das endlose Drama
Dorstener Straße: Die rote Linie
Herner Straße in Riemke
»Ein enormes Konflikt- und Unfallpotential«
Dooring-Unfälle: Besser kein Radweg als ein schlechter
Bochums gefährlichste Straße für Radfahrer – oder doch nicht?
Ein Radkreuz für Busse und Straßenbahnen
Wie Bochum mit »Protected Bike Lanes« Unfälle verursacht
Städtebauliche Bemessung
Geisterradler-Kampagne: Die Geister, die ich rief …
Alles hängt mit allem zusammen.
- Der ganze Vorgang mit allen Plänen:
https://bochum.ratsinfomanagement.net/vorgang/?__=UGhVM0hpd2NXNFdFcExjZf7hRUhGQpZsd69F6xBYD-U ↩︎