Negativer Lückenschluss – Vom Verschwinden einer Verbindung

2012 wurde der erste Abschnitt der Springorum-Trasse zwischen Goerdtstraße und Querenburger Straße fertiggestellt1. Der erste Abschnitt der Lothringen-Trasse von »Auf der Bochumer Landwehr« bis zum Heizkraftwerk Hiltrop war bereits seit 2007 fertig2.

Schon 2007 stellte sich das Problem, wie man den Anfang der Lothringen-Trasse denn überhaupt mit dem Rad erreichen können sollte. Die Bahntrasse beginnt praktisch im Nichts – in einem verborgenen Winkel von »Auf der Bochumer Landwehr«, einer Sackgasse am Ende der Castroper Straße.

Die ursprüngliche Bahntrasse schwenkte auf dem Gelände der Stahlwerke Bochum nach Westen, Richtung Nordbahnhof. Dieser Teil ist bis heute in Betrieb. Das Gleis quert die Harpener Straße / Krümmede mit einem beschrankten Bahnübergang – wahrscheinlich dem letzten in Bochum (ohne Wattenscheid). 2022 gab es dort einen spektakulären Unfall: »Bahnschranke durchbohrt Auto«3.

Bis 1979 gab es eine durchgehende Straßenverbindung von der Buselohstraße zur Castroper Straße. Unterbrochen wurde diese Verbindung erst durch den Erweiterungsbau der Stahlwerke Bochum, direkt am Scheffieldring. Im Stadtplan von 1981 ist die Straße verschwunden, 1979 war sie noch da. Das nördliche Ende der Buselohstraße wurde zur Sackgasse.

Von der Harpener Straße aus kann man die Lothringen-Trasse mit dem Rad bis heute nur über einen umfunktionierten Gehweg erreichen. An der Harpener Straße führt die einzige Zufahrt über einen Fußgängerüberweg (Zebrastreifen). Der Gehweg an der Stelle ist sehr schmal, weniger als zwei Meter. Es gibt ständige Konflikte mit Fußgängern und entgegenkommenden Radfahrern. Vom Sheffieldring aus ist die Stelle nicht einsehbar, deshalb gilt in der Ausfahrt Tempo 30. Viele Autofahrer fahren zu schnell. Eine Falle.

Blick auf die Harpener Straße: Wie geht es hier weiter? Im Rücken die Ausfahrt vom Sheffieldring. Keine Überleitung auf die Fahrbahn. Kein Radweg. Der »Gehweg« ist ein Witz. Bild von 2015. Seitdem hat sich so gut wie nichts verändert.

Der Verbindungsweg ist nicht besser. Ein scharfer Knick und es geht unmittelbar steil bergauf. An dieser Stelle hat es bereits mehrere Unfälle von Radfahrern gegeben. Diese Unfälle tauchen in der polizeilichen Unfallstatistik nicht auf, weil es Alleinunfälle von Radfahrern sind.

Die berüchtigte Unfallstelle von oben gesehen. Bild von 2011.

Ich bin selbst an dieser Stelle auf dem Weg von der Arbeit »aus dem Nichts« gestürzt und ein zufällig vorbeikommender Radfahrer meinte, ihm sei dasselbe passiert und er sei mit gebrochenen Rippen nach Hause gefahren.

Spätestens seit der Fertigstellung der Springorum-Trasse ist die Verbindung zwischen beiden Trassen ein wichtiges Element in Radverkehrsnetz der Stadt Bochum, sowohl für den Freizeitverkehr als auch für den Alltagsverkehr und den Berufsverkehr.

Aber auf den Freizeitkarten der Stadt Bochum kann man Schritt für Schritt verfolgen, wie diese Verbindung verschwindet. Nicht, dass sie jemals gut gewesen wäre, also einfach und sicher befahrbar.
Aber noch schlechter ist, wenn diese wichtige Verbindung Schritt für Schritt verschwindet.

Wäre sie da, könnte man mit dem Rad beinahe autofrei aus dem Ruhrtal (Ruhrtalradweg) bis nach Castrop-Rauxel und Dortmund fahren.

»Springorum- und Lothringentrasse verknüpfen bis auf eine Lücke von ca. 1,6 Kilometern Länge den äußersten Bochumer Südwesten mit dem äußersten Bochumer Nordosten.«4 

Die Stadt Bochum verweist zum Lückenschluss auf den Radschnellweg Ruhr (RS1)! Als wenn der RS1 über die Castroper Straße führen würde.

»Zusammen mit dem direkten Anschluss an die Lothringen-Trasse in Gerthe und den verschiedenen Verbindungen in- bzw. aus oder durch die Bochumer Innenstadt und entlang der Ruhr lässt sich der Parkway EmscherRuhr zu interessanten Rundtouren durch Bochum kombinieren.«5

Trotz alledem gibt es bis heute keine funktionierende Anbindung der Lothringen-Trasse an die Harpener Straße und keine funktionierende Fahrrad-Verbindung zwischen Lothringen- und Springorum-Trasse.

In Gerthe trifft die Lothringen-Trasse auf den Emscherpark-Radweg Süd, der kürzlich bis Dortmund verlängert wurde. Auch der Parkway Emscher Ruhr ist von da aus erreichbar:

Selbstverständlich ist das Politik und Verwaltung der Stadt Bochum mindestens seit 2012 sehr wohl bekannt. Trotzdem verweigert sie jeden Schritt zu einer Lösung des Problems und macht das Gegenteil.

In den aufeinanderfolgenden Ausgaben der Freizeitkarte Bochum kann man den Prozess des Verschwindens nachvollziehen:

Freizeitkarte Bochum 2008:
Die Lothringen-Trasse ist bereits eingezeichnet, beginnend am Hauptfriedhof (unten rechts)!
Die Springorum-Trasse ist noch als Bahngleis zu sehen. Unten links bei dem Symbol „Altes Amtshaus“, dann unter Wittener Straße und Altenbochumer Straße nach Norden zur Goerdtstraße. Dort kann man schwach den Tunnel unter den Bahngleisen erkennen (Ecke Am Lohberg/Goerdtstraße).
Sehr gut zu erkennen ist die rote Linie ab Altenbochumer Straße über die Goerdtstraße, dann durch die Kleingartenanlage „Auf den Alpen“ und die anschließende Grünanlage – parallel zu den Bahngleisen zur Buselohstraße.

Die Goerdtstraße ist keine durchgehende Straßenverbindung mehr. Der südliche Teil ist eine Sackgasse.
Auch von Norden gibt es von der Brücke über die Springorum-Trasse nur noch einen kurzen Stummel.
An dieser Stelle gibt es die einzige Verbindung von der Springorum-Trasse Richtung Lothringen-Trasse.

Freizeitkarte 2008: Die Verbindung von der Springorum- zur Lothringen-Trasse im Detail.
Im blauen Kreis unten links der beim Ausbau der Springorum-Trasse entstandene, entscheidende Abzweig.

Die Freizeitkarte 2008 war die einzige Ausgabe der Freizeitkarte, in der – natürlich auf Initiative des ADFC Bochum – Gefahrenstellen auf den von der Stadt Bochum empfohlenen Radrouten durch ein rotes Dreieck mit Ausrufezeichen markiert waren. Das wurde in der folgenden und allen späteren Ausgaben vom Tiefbaumamt rigoros unterbunden.
Der Abzweig von der Harpener Straße Richtung Lothringen-Trasse war – wie man oben rechts deutlich sieht – vom ADFC Bochum schon vor 2008 als besondere Gefahrenstelle identifiziert und gekennzeichnet worden. Wir befinden uns jetzt im Jahr 2025 und es hat sich in 17 Jahren an dieser Stelle nichts geändert.
So »fahrradfreundlich« ist Bochum.

Aber es kommt noch schlimmer

Freizeitkarte 2012: Die Springorum-Trasse (links) ist ausgebaut. Die Verbindungsstrecke Richtung Lothringen-Trasse ist unverändert. Das Gefahrenzeichen an der Harpener Straße ist verschwunden – nicht aber die Gefahrenstelle.
Freizeitkarte 2015: Der erste Teil der Verbindungsstrecke Richtung Lothringen-Trasse ist gestrichen.
Die Verbindung führt jetzt über Bonhoefferstraße und Kordbecksweg zur Grünanlage an der Buselohstraße. Beide Straßen sind zu eng, in schlechtem Zustand, zugeparkt und haben ungenügende Gehwege.
Freizeitkarte 2018: Es gibt eine neue Brücke mit Radfahrstreifen und einen neuen Kreisverkehr auf der Buselohstraße. Das Knotenpunktnetz ist eingezeichnet (hier Knoten 21). »Z« und »O« sind nicht ausgeschilderte touristische Rundrouten der Stadt Bochum. Beide führen über die Verbindung zwischen Springorum- und Lothringen-Trasse. Die gestrichelte rote Linie bezeichnet in der Karte »nicht ausgeschilderte Verbindungsstücke«. Die Verbindung soll jetzt vollständig über die Bonhoefferstraße führen. Die Verbindungsstrecke von 2008 ist vollständig verschwunden.

Es gibt – Stand heute – keine für Rad fahrende Kinder und Familien geeignete Verbindung zwischen Springorum- und Lothringen-Trasse. Die Bonhoefferstraße ist für Kinder bis zum achten Lebensjahr, die den Gehweg befahren müssen, nicht befahrbar. Also ist sie auch nicht familientauglich. Eltern können ihre Kinder dort nicht mit dem Rad begleiten.

Die Gefahrenstellen der Lothringen-Trasse an der Harpener Straße und auf dem Verbindungsweg zur Bahntrasse an der Bochumer Landwehr sind unverändert gefährlich und unfallträchtig.

Am Abzweig von der Springorum-Trasse Richtung Lothringen-Trasse, kurz vor der Brücke Goerdtstraße gibt es keinen Hinweis auf die Lothringen-Trasse: Die Ziele Gehrte und Castrop-Rauxel kommen nicht vor.
Umgekehrt gibt es keinen Hinweis auf den Ruhrtal-Radweg und Dahlhausen.
Wie sollen sich Ortsfremde hier orientieren? Wer sich auskennt, braucht keine Schilder.

Das ist der ganze Fortschritt in 17 Jahren:

Der Weg von der Buselohstraße Richtung Springorum-Trasse ist neuerdings explizit für Radfahrer gesperrt (Zeichen 205: Gehweg). Jetzt gilt »Radfahren verboten«, wo vorher Kinder mit dem Rad zur Schule gefahren sind.
Das südliche Ende: Wo Autofahrer fahren dürfen, müssen »Radfahrer absteigen«. Der Weg durch die Kleingartenanlage ist so breit wie die Springorum-Trasse. Aber Radfahren ist verboten – auch für Kinder auf dem Weg von oder zur Schule. Sie werden auf die fahrradfeindliche Bonhoefferstraße gezwungen.
Blick von der Buselohstraße in die Bonhoefferstraße: Die Gehwege sind zu schmal für Rad fahrende Kinder und erst recht deren Eltern. Gehwege brauchen einen Sicherheitsabstand von 0,50 m von der Bordsteinkante und einen Sicherheitsabstand zur Außenseite. Dazwischen müssen sie etwa 2,0 m frei Fläche als Gehbahn haben.
Die Fahrbahn ist neben den parkenden Pkw viel zu schmal zum Überholen und auch für den Begegnungsverkehr zwischen Rad und Auto. Erforderlich sind 2* 2,10 m für die Pkw, 1,00 m für das Fahrrad und 2* 0,75 m Sicherheitsabstand zwischen Pkw und Fahrrad: zusammen 6,70 m.
Blick aus der Bonhoefferstraße zur Buselohstraße: Es gibt weit und breit keinen Radweg! Man kann mit dem Rad nicht einmal die Straße überqueren.

Wenn Dietrich6 das wüsste …

  1. https://www.bahntrassenradeln.de/details/nw3_20.htm ↩︎
  2. https://www.bahntrassenradeln.de/details/nw3_19.htm ↩︎
  3. https://www.waz.de/lokales/bochum/article401532160/unfall-an-bahnuebergang-in-bochum-schranke-durchbohrt-auto.html ↩︎
  4. https://www.bochum.de/Tiefbauamt/Radfahren-in-Bochum/Radwanderwege ↩︎
  5. https://www.bochum.de/Tiefbauamt/Radfahren-in-Bochum/Radwanderwege ↩︎
  6. https://de.wikipedia.org/wiki/Dietrich_Bonhoeffer ↩︎

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