Bild: Der einzige Radschnellweg in Bochum (seit 2021), Stahlhausen.
Über die Trennung der Verkehrsarten
Warum sind so viele Fußgänger auf Bahntrassenwegen unterwegs? Weil sie autofrei sind.
Warum fahren so viele Radfahrer auf Bahntrassenwegen? Weil sie autofrei sind.
Worüber regen Fußgänger sich auf? Über Radfahrer.

Warum sind Radfahrer als völlig rücksichtslose, gewaltbereite Täter dargestellt, Fußgänger dagegen als fröhliche und sorglose Spaziergänger?
Die wissenschaftliche Untersuchung zu gemeinsamen Geh- und Radwegen kommt zu dem Schluss:
Häufige Konflikte und Interaktionen zwischen Radfahrenden und zu Fuß Gehenden auf selbstständigen Wegen spiegeln sich nur selten im Unfallgeschehen wieder.1
Wo ist der Elefant im Raum?
Wenn man Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer voneinander trennen will, gibt es nur zwei Wege: Zeitlich und räumlich. Die zeitliche Trennung – Wege im Schichtbetrieb – hat noch keiner vorgeschlagen.
Bis jetzt gibt es das nur für den Autoverkehr, zum Beispiel eine Straße in Hamburg2 oder Fahrstreifen, deren Fahrtrichtung je nach Tageszeit wechselt3.
Die räumliche Trennung kann horizontal oder vertikal sein: über- unter- oder nebeneinander. Nebeneinander hat den großen Nachteil, dass die getrennten Verkehrsarten sich an jeder Kreuzung wieder in die Quere kommen. Über- und untereinander ist teuer: Tunnel und Unterführungen sind sehr kostspielig und niveaufreie Kreuzungen brauchen mehr Platz. Um eine konfliktfreie Führung zu erreichen, müsste man bis zu vier Ebenen übereinander stapeln: Gehweg, Radweg, Kfz-Fahrbahn und Schienenwege für Nah- und Fernverkehr. An der mittlerweile eingestampften Metrorapid-Planung für das Ruhrgebiet konnte man das schön sehen: Wo schon Schienenwege, Autobahnen und Straßen übereinandergestapelt waren, hätte man ganz oben noch den Metrorapid darüber bauen müssen. Von der Erzbahnschwinge am Westpark kann man in kleinem Maßstab sehen, wohin das führt.
Der Metrorapid ist – wie der Transrapid – an den Kosten gescheitert, aber die Notwendigkeit, für eine Magnetschwebebahn einen komplett inkompatiblen eigenen Fahrweg anlegen zu müssen, hat einen Großteil der Kosten verursacht. Niemand wusste, wie man die Hauptbahnhöfe mit einer Magnetschwebebahn verknüpfen sollte.
Metropole Ruhr
Das Ruhrgebiet ist ein Ballungsraum, daher die Rede von der Metropole Ruhr. Die Städte gehen nahtlos ineinander über. Alles ist vollgepackt mit Häusern, Straßen und Schienen. Woher den Raum nehmen für neue Wohn- und Gewerbeflächen? Und die Grünzüge sind unverzichtbar. Also hilft nur Recycling. Mark 51°7 ist dafür das prominenteste Beispiel: Erst Landwirtschaft, dann Zechengelände, dann Automobilproduktion und jetzt Zukunftstechnologien – und altmodische Logistik mit Kraftfahrzeugen, die rundherum alles zuparken.
Bahntrassenwege
Auch die Bahntrassenwege sind recycelt: Zechen- und Industriebahnen wurden zu Geh- und Radwegen. Viele dieser in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stillgelegten Bahntrassen waren eingleisig. Man kann sie nicht einfach verbreitern. Das ist an der Erzbahn-, der Lothringen-, Springorum- und Opel-Trasse schön zu sehen: Der Bahndamm ist schmal und die Brücken auch.
Also bleibt nur, was die Regel ist: Der Mischverkehr ist mit Abstand die häufigste Verkehrsführung.
Mischverkehr
Und da gilt, trotz aller guten Vorsätze das Recht des Stärkeren: Kraftfahrzeuge (Pkw, Lkw, Busse) übertreffen Fußgänger und Radfahrer in jeder gefährlichen Hinsicht: Geschwindigkeit, Gewicht, Größe, Lärm, Abgase, Feinstaub und Mikroplastik. Wer biogen, also mit Muskelkraft, unterwegs ist, möchte von all dem verschont bleiben.
Aber wohin soll der motorisierte Individualverkehr verschwinden? Nach oben oder nach unten? Parkhäuser und Tiefgaragen sind nur ein Teil der Antwort: für stehende Autos, für den wie man so schön sagt »ruhenden« Verkehr. Nicht zufällig war die Autostadt Bochum ganz vorn dabei, Radwege in Parkplätze umzuwandeln und die Innenstadt mit Tiefgaragen zu unterkellern: Am 27. Oktober 1961 eröffnete unter dem Dr.-Ruer-Platz die erste öffentlichen Tiefgarage Deutschlands.4 Gerade noch rechtzeitig vor dem Weihnachtsgeschäft und kurz bevor in Bochum der erste Opel Kadett gebaut wurde: Am 20. August 1962 wurde das Auto der Presse vorgestellt.
»Speed kills«
Die einzige Stellschraube an der man – theoretisch – einfach drehen kann, ist die Geschwindigkeit. Jeder weiß: »Speed kills«. Aber selbst der Weg zu Tempo 30 ist lang, steinig und voller Hindernisse. 1974 startete der ADAC die Kampagne »Freie Bürger fordern freie Fahrt«5 6. Der Satz steckt immer noch tief in den Köpfen der Autofahrer. Die Straßenverkehrsordnung kennt nur einen einzigen Weg, um Fußgängern trotz Mischverkehr Priorität gegenüber dem Autoverkehr zu geben: Der »verkehrsberuhigte Bereich«. Nur hier gilt: »Wer zu Fuß geht, darf die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen; Kinderspiele sind überall erlaubt.« Und es gilt »Schrittgeschwindigkeit«, aber die wurde vor Gericht dann gleich von 6 km/h auf bis zu 15 km/h hochgesetzt.
Gibt es in Bochum auch nur einen einzigen autofreien Verkehrsweg, auf dem Fußgänger und Radfahrer getrennt geführt werden?
Ich kenne nur die 550 Meter Radschnellweg zwischen Windhausstraße und Bessemer Straße. Für selbständig geführte Radschnellwege in NRW ist ein paralleler Gehweg vorgeschrieben. Nur der geplante RS1 wird – aber auch nur außerhalb der bebauten Gebiete – diese Bedingung erfüllen, wie man in Gelsenkirchen schon erfahren kann.

Vorfahrtstraße, Wegweiser, Beleuchtung, getrennte Fahrstreifen und paralleler Gehweg mit taktilem Trennstreifen.
Anmerkungen:
- https://www.mobilitaetsforum.bund.de/DE/Themen/Wissenspool/Projekte/NRVP/NRVP_17-19/19517_rad_und_fussverkehr_auf_gemeinsamen_und.html ↩︎
- https://hamburg.mitvergnuegen.com/2023/hamburg-hakt-nach-sierichstrasse ↩︎
- https://de.wikipedia.org/wiki/Richtungswechselbetrieb ↩︎
- https://www.waz.de/lokales/bochum/article401952329/aelteste-tiefgarage-deutschlands-befindet-sich-in-bochum.html ↩︎
- https://www.merkur-zeitschrift.de/artikel/freie-fahrt-fuer-freie-volksgenossen-a-mr-78-1-28/ ↩︎
- https://www.deutschlandfunkkultur.de/freie-fahrt-fuer-freie-buerger-wir-halten-an-einer-100.htm ↩︎
EXAKT zu den Schlussfolgerung komme ich auch:
-Mischverkehr schafft nur Konflikte,
-Im Mark 51 7 hatt die Stadt mal wieder versagt,
-Fahrbahn nur für Radfahrer gibt’s nahezu gar nicht. (Ich kenne nur Teilstücke am Kemnader See)
-Verkehrsberuhigte Bereiche sind ein Witz. Im Leben kann man da keine Kinder spielen lassen. Alle Verkehrsteilnehmer ballern da durch.
Danke für den Artikel.