An der Ecke Viktoriastraße / Südring steht ein 40 cm starker Mast mitten auf dem »Radweg«. Kein Mensch kann da hindurchfahren. Und drumherum auch nicht. Der »Radweg« ist nur 1,20 m breit. Gehwege sind für Radfahrer verboten. Ausweichen auf den Gehweg ist also auch nicht möglich.
Die einzige Abhilfe wäre das, was Bochum am Husemann-Karree gerade wiederentdeckt hat: Absteigen und schieben.
Die vier Masten an der vier Ecken der Kreuzung haben seit 1983 keine Funktion mehr. Vorher hatten sie die Aufgabe, die Oberleitung der Straßenbahn zu halten, die bis dahin vom Rathaus über die Viktoriastraße zum Schauspielhaus fuhr.
Etwa zeitgleich [1950] wurde die Strecke vom Rathaus zum Hauptbahnhof durch die Viktoriastraße zweigleisig ausgebaut. Ab Februar 1950 wurde die Straße auf 32 Meter Breite ausgeweitet. Für die Straßenbahn entstand ein 5,20 Meter breiter Bahnkörper, der über den ehemaligen Kellern zerstörter oder abgerissener Wohnhäuser lag.
Bochumer Zeitpunkte, Heft 39: Mobilität und Verkehr, Kortumgesellschaft 2018, S. 40

Das Eckhaus an dieser Stelle stammt von 1956 und ist mittlerweile als architektonische Besonderheit ausgezeichnet und steht in der Denkmalliste.1
1983 wurde die Strecke durch den Südring und die Viktoriastraße bis zum Rathaus zu Gunsten der Strecke durch die Ferdinandstraße und die Bongardstraße aufgegeben.
Bochumer Zeitpunkte, Heft 39: Mobilität und Verkehr, Kortumgesellschaft 2018, S. 40
Solange dort die Straßenbahn fuhr, gab es natürlich auch keine Tiefgarageneinfahrt auf der Viktoriastraße. Und es gab es an dieser Stelle auch keinen Radweg. Der wurde erst angelegt, als man die Straße frei räumen wollte, um die ungehinderte Zufahrt zur Tiefgarage zu ermöglichen. Erst seitdem gibt es zwischen ABC-Straße und Südring einen 1,20 m breiten Radweg. Vor dem Amtsgericht (jetzt Husemann-Karree) und dem Husemannplatz gab es nie einen Radweg.

Die Tiefgarage am bzw. unter dem Husemannplatz wurde in den 1980er Jahren als »Zivilschutz-Mehrzweckanlage« mit 3000 Schutzplätzen gebaut.2
Erst als ab etwa 1963 Tiefgaragen mit dem Bau von (vermeintlich) atomsicheren Bunkern kombiniert werden konnten, war die Zuschuss-Situation durch den „Zivilschutz“ so gut, dass die unterirdische Erstellung von Parkraum rentierlich wurde und entsprechend zunahm.
Bochumer Zeitpunkte, Heft 39: Mobilität und Verkehr, Kortumgesellschaft 2018, S. 26
Auch in Bochumer Parkhäusern kann man in den Untergeschossen an dicken Stahlportalen die bunkerfesten Parkbereiche erkennen.
Die vier massiven Masten an den vier Ecken der Kreuzung Viktoriastraße / Südring sind die letzte Erinnerung an die Straßenbahnen die früher auf beiden Straßen fuhren.

Der »Radweg« vor dem Haus Viktoriastraße 22-26 war in den letzten 40 Jahren nie benutzbar. Daran ändert auch die Abschaffung der Benutzungspflicht nichts. Entscheidend für die Benutzungspflicht ist die nachgewiesene Gefahrenlage auf der Fahrbahn. Die technischen Anforderungen an Radwege sind davon unabhängig. Radwege müssen mit oder ohne Benutzungspflicht sicher befahrbar sein.
Also kann dieser »Radweg« kein Radweg sein. Die Stadt Bochum – Politik und Verwaltung – besteht aber darauf. Am 9. April 2025 hat der Ausschuss für Mobilität und Infrastruktur einstimmig beschlossen, dass dieser »Radweg« ein Radweg bleiben soll.3 Ich hatte am 7. Februar 2025 »angeregt«, die Radwege auf beiden Seiten der Viktoriastraße ersatzlos aufzuheben:
Diese Konstruktion ist nichts anderes als verkehrsgefährdend und zwar sowohl für Radfahrer als auch für Fußgänger. Diesem »Radweg« fehlt alles, was ein Radweg haben müsste. Insbesondere ist er im kritischsten Bereich schmaler als ein stehendes Fahrrad.
Die Verwaltung sagt in ihrer Beschlussvorlage dazu:
Der Verwaltung ist die Situation bekannt. Bereits seit vielen Jahren ist die Benutzungspflicht dieser Radwege aufgehoben. Es handelt sich um sogenannte „sonstige Radwege“, die zwar noch rot ge pflastert sind, jedoch nicht mehr benutzt werden müssen, weil das Radfahren auf der Straße erlaubt ist. Nach dem Umbau des Husemannplatzes ist eine Neugestaltung der Viktoriastraße geplant. Im Zuge dieser Umgestaltung werden die Flächen neu geordnet.
Beschlussvorlage der Verwaltung Nr.: 20250474
Jeweils ein Verkehrsschild (Zeichen 239: Gehweg) hätte genügt. Es gab keine Diskussion. Ich nenne das vorsätzliche Verkehrsgefährdung.
P.S.: Soeben wurden die Markierungen im Kreuzungsbereich erneuert. Auch die Radfahrerfurt von der Viktoriastraße über den Südring. Dumm nur, dass es auf der anderen Seite gar keinen Radweg gibt. Die Furt endet im Nichts. Radfahren ist dort verboten.

Bochum ist berühmt für Radwege, die im Nichts enden. Aber das so etwas im Jahr 2025 noch neu hergestellt wird, hätte ich nicht gedacht.
Das ist wirklich ein Paradebeispiel für verfehlte Infrastrukturplanung – und leider kein Einzelfall. Wenn ein 40 cm dicker Masthandschuh auf einem ohnehin viel zu schmalen Radweg steht, zeigt das nur, wie wenig solcher Ausbau Wege an die tatsächliche Nutzung gedacht wurde. Dass die Masten seit Jahrzehnten keine Funktion mehr haben, macht die Situation noch absurder. Absteigen und schieben kann keine Dauerlösung sein – schon gar nicht in einer Stadt, die den Radverkehr fördern will. Hier muss dringend nachgebessert werden, im Sinne der Sicherheit und der Gleichberechtigung aller.
Vielen Dank für die Mühe mit diesem Blog.
Du beschreibst permanent Stellen, die mir ebenso auffallen.
Die Masten auf dem Radweg fallen mir täglich negativ auf.
Zudem lerne ich einiges dazu. Dass die Masten ausser Betrieb sind, ist mir nie aufgefallen.
Apropos, zur nigelnagelneuen Fahrbahnmarkierung an der Kreuzung: Man hat vergessen, in Fahrtrichtung Husemann Karree irgendwelche Markierungen zu machen.
Weder Rad, noch Auto.
Laut Markierungen kann man nur links oder rechts fahren:
Ich bin jeden Tag von neuem entsetzte, was die Stadt baut.