Bild: Radwegende an der Alleestraße: Wer da keine Angst bekommt …
Das Foto ist von 2003. Seitdem ist die Situation unverändert menschenverachtend.
Und heute zugleich ein Beispiel für den unverantwortlichen Missbrauch der Beschilderung »Radverkehr frei« auf Gehwegen.
Alle die, die Angst haben, fahren falsch. Und die, die richtig fahren, haben Angst.1
Kommentar zur Situation in der S-Bahn-Unterführung an der Hauptstraße in Langendreer.
Diejenigen, die Angst haben, fahren auf den zu schmalen Gehwegen der Unterführung – gerne auch in der falschen Richtung. Das macht sie in den Augen der Stadt Bochum zu Geisterradlern.
Wer richtig fährt, fährt mit dem Fahrzeug Fahrrad auf der Fahrbahn – und dann fährt die Angst mit. Besonders in den Kreuzungsbereichen vor und nach der Unterführung. Und besonders auch dann, wenn von hinten der motorisierte Verkehr drängt. Gerne auch in Form von Lastkraftwagen und Bussen.
2017 berichtete die WAZ über die über die Dorstener Straße. Daraufhin warnten Leser vor weiteren gefährlichen Straßen:
Die Angst fährt auf dem Rad immer mit
»Der Zustand der Rad- und Fußwege in Bochum ist größtenteils katastrophal«, bekräftigt WAZ-Leserin Susanne Philipp. »Ständig ist man der Frage ausgesetzt: Wie und wo fahre ich jetzt am besten weiter? Oft geht das nur mit Umwegen und/oder mit Absteigen und Schieben.« Wechsele man auf die Straße, sei das »mordsmäßig gefährlich«.
Schon 1993 war das nicht anders:

Im Mai 2025 berichtete eine Fahrrad-Aktivistin aus Bochum:
Mein Kind hat Angst vor dem zehnten Geburtstag:
»Dann muss ich mit dem Rad auf der Straße fahren.«
Für die Straßenverkehrsordnung sind Kinder mit dem zehnten Geburtstag erwachsen. Dann gelten für sie dieselben Regeln wie für Erwachsene – ohne Ausnahme.
Wenn Radfahrende trotzdem auf Gehwegen fahren, bestraft die Polizei die Opfer der Verkehrtpolitik.
»Bei einer Schwerpunktaktion zum Start der Fahrradsaison 2025 hat die Bochumer Polizei zahlreiche Sanktionen verhängt. In zehn Fällen hielten sich Radfahrer nicht an die vorschriftsmäßige Gehweg- und Fahrbahnbenutzung. Auch 37 Bürgergespräche führte die Polizei zum Thema Verkehrssicherheit.« (WAZ, 28.04.2025)
Die Stadt Bochum startet dann auch gerne eine Geisterradler-Kampagne um die Symptome zu bekämpfen, aber nicht die Ursache. Bizarr wird es, wenn Radfahrende aus lauter Angst einen Radweg in Gegenrichtung benutzen, nur um nicht auf der Fahrbahn fahren zu müssen – nicht einmal bei Tempo 20.

An der Brückstraße sah sich die Verwaltung genötigt, durch ein Plakat darauf hinzuweisen, dass Radfahrende in dem verkehrsberuhigten Geschäftsbereich mit Tempo 20 Höchstgeschwindigkeit doch »Bitte Fahrbahn nutzen« sollten, wie es die StVO vorschreibt. In Tempo-30 und Tempo-20 Zonen sind Radwege verboten.

Bei dem laufenden Verkehrsversuch auf der Oskar-Hoffmann-Straße zwischen Universitätsstraße und Steinring war dasselbe Verhalten wie auf der Brückstraße zu beobachten: Radfahrende sind auf den links gelegenen Radfahrstreifen ausgewichen und als Geisterradler in der falschen Richtung gefahren.
Radfahrende bekommen Angst, wenn ihnen in engen Straßen, die auf beiden Seiten zugeparkt sind, Autos entgegenkommen und der Platz offensichtlich nicht ausreicht für die Begegnung von Auto und Fahrrad. Autofahrer fahren dann gerne ungebremst weiter und erwarten selbstverständlich, dass sich der Radfahrer in Luft auflöst. Dabei befinden sich dann drei Autos nebeneinander auf der Fahrbahn, aber nur ein Fahrrad, das höchstens halb soviel Platz braucht, wie ein Auto.


Bei seinem Konzert in der Kölner Lanxess-Arena im Januar 2025 ließ der Entertainer und Satiriker kein gutes Haar an der Ruhrgebietsstadt Bochum – nicht zum ersten Mal. Schon im September 2024 hatte der Entertainer ein vernichtendes Urteil über die Radinfrastruktur in der Stadt gefällt.2
Er sah für Bochum mit Blick auf Radwege nur eine Chance:
Abreißen und neu aufbauen.
»Wege, die im Nichts enden, lose Platten, Bäume im Weg – wenn Böhmermann solche Punkte als Beleg dafür heranzieht, dass die Radwegeplanung in Bochum »unglaublich beschissen« ist, dann trifft er durchaus einen Punkt. Auch Fahrradaktivisten in der Stadt werden nicht müde, auf Gefahrenstellen hinzuweisen: So hat etwa Klaus Kuliga, früherer Vorsitzender des örtlichen ADFC, im Mai 2024 allein 40 Mängel auf einem 2,8 Kilometer langen Streckenabschnitt von Goldhamme nach Wattenscheid aufgelistet. Darunter die Stelle, an der der Radweg in Höhe der Jahrhunderthalle unvermittelt endet und Radfahrende auf die stark befahrene Straße ausweichen müssen. »Lebensgefährlich«, befand Kuliga.
Weitere Beispiele gibt es viele: So endet auch an der Dorstener Straße in Hofstede ein Radweg im Nichts, nahe der Innenstadt ist der rot eingefärbte Radstreifen an der Dorstener Straße an manchen Stellen nur 75 Zentimeter breit. Und am Rande der stark befahrenen Wittener Straße sucht man auf weiter Strecke gleich vergebens nach einem Radweg.«3
An der Wittener Straße war das einzige Stück Radweg zwischen Ümminger Straße und Lohring die Ursache für einen schweren Unfall, der für einen 14-Jährigen beinahe tödlich ausgegangen wäre4. Die Stadt Bochum verteidigt diesen Radweg mit Zähnen und Klauen.
An der Dorstener Straße wehrt sich die Stadt Bochum mit Händen und Füßen gegen jede Lösung, die das Problem lösen könnte. Mehrere Bürgeranregungen dazu wurden im Ausschuss für Mobilität und Infrastruktur abgelehnt. Zuletzt im Mai 2025.
Es gibt Lösungen. Man muss sie nur wollen. Aber dieser Wille fehlt in Bochum.
Das zeigt sich beispielhaft an der Viktoriastraße, der Dorstener Straße, der Wittener Straße, der Herner Straße, der Hattinger Straße, der Castroper Straße, der Königsallee, der Universitätsstraße und der Alleestraße.
Die Probleme sind spätestens seit 1988 bekannt. Die Herner Straße ist – neben der Bessemer Straße – die einzige Straße in Bochum, die durchgehende Radwege hat. Und die sind ungenügend.
An der Hattinger Straße und der Castroper Straße gibt es kurze Abschnitte mit ordentlichen Radwegen, aber es wird Jahrzehnte dauern, bis auch nur eine dieser Straße mit dem Fahrrad sicher befahrbar ist.
Die StVO verlangt, dass zehnjährige Kinder mit dem Rad auf der Fahrbahn fahren. Aber sie verlangt auch, dass alle Straßen in Bochum für Kinder sicher zu befahren sind (VwV-StVO, RASt 06, ERA 2020, EFA 2002).
Die FGSV verlangt, dass
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. 5
Das gilt sogar für Radfahrer. Die FGSV verlangt
die Belange des Fußverkehrs, des Radverkehrs und des ÖPNV mit besonderer Priorität zu berücksichtigen, bzw. dann die Belange des fließenden und ruhenden Kfz-Verkehrs nachrangig zu betrachten.6
- https://www.waz.de/lokales/bochum/article408424981/tunnel-planung-radfahrer-sauer-an-uns-denkt-niemand.html ↩︎
- https://www.waz.de/lokales/bochum/article408086123/boehmermann-laestert-ueber-bochum-abreissen-und-neu-aufbauen.html ↩︎
- https://www.waz.de/lokales/bochum/article408094171/allerschlimmste-stadt-fuer-radler-wo-boehmermann-recht-hat.html (WAZ+) ↩︎
- https://www.waz.de/staedte/bochum/article236243125/Nach-Radunfall-in-Bochum-Kritik-wegen-Gefahrenstelle.html ↩︎
- Grundgesetz Artikel 2. ↩︎
- https://bovelo.de/2024/08/09/fgsv-neue-hinweise-zum-rad-und-fussverkehr/ ↩︎
Danke wie immer für diesen Artikel.
Die treffen einfach voll ins Schwarze.
Am Liebsten wäre mir, der Nahmobitätsbeauftragte der Stadt Herr Olschowy (und andere Verantwortliche) würde jeden neuen Artikel ausgedruckt in der Post haben.