Bahntrassen -Velorouten – Radschnellwege

Springorum-Trasse Sperrung (04.2025)

Bild: Gesperrte Springorum-Trasse an einem Sonntag (01.06.2025)

Seit zwei Monaten (Anfang April 2025) ist der Abschnitt der Springorum-Trasse zwischen Königsallee und Springorum-Allee gesperrt. Ursprünglich sollten die Bauarbeiten nur einen Monat dauern.

Die Bauarbeiten haben sich vor allem durch Personen, die die Baustelle betreten haben, deutlich verzögert

Stadtsprecher Peter van Dyk

Die Bauarbeiten verzögern sich, weil Radfahrer trotz Absperrung während der Bauarbeiten über die Trasse gefahren sind und sogar in einem Fall Bauarbeiter tätlich angegriffen wurden. Am 16. Mai kam es nach Angaben der Stadt zu einem »handgreiflichen Übergriff« gegenüber Bauarbeitern. Seit kurzen gibt es zusätzliche Absperrungen und die Bewachung durch einen Sicherheitsdienst. Aktuell rechnet die Stadt Bochum mit einer Bauzeit bis etwa Mitte Juli. 1

Springorum-Trasse Baustelle (01.06.2025)
Springorum-Trasse Baustelle (01.06.2025). Nach zwei Monaten Bauzeit ist noch nicht viel zu sehen.

Warum allerdings eine Verzögerung um eine Woche die Bauzeit auf das Dreifache verlängert, bleibt rätselhaft. Eine Erklärung hat die Stadt nachgeliefert: »Anders als in der Planung prognostiziert, sind wir im Zuge der Tiefbauarbeiten auf sehr starken Wurzelwuchs und alten Gleisschotter gestoßen« (Stadtsprecher Peter van Dyk). 

Die Probleme der Bahntrassenwege

Die Springorum-Trasse steht dabei exemplarisch für die Probleme der Bahntrassenwege. Die Wege sind äußerst beliebt. Dem großen Vorteil durch die weitgehende Trennung vom motorisierten Verkehr stehen aus Sicht der Fußgänger und der Radfahrer erhebliche Mängel entgegen. Die Bahntrassenwege werden sowohl im Alltags- als auch im Freizeitverkehr genutzt. Wären es reine Freizeitstrecken, könnte man auf die Beleuchtung verzichten. Aber die Baustelle wurde gerade eingerichtet, um auf einem weiteren Abschnitt die fehlende Beleuchtung nachzurüsten. Im Winter werden die Strecken von Schülern und Berufstätigen morgens und abends im Dunkeln befahren. Also ist die Beleuchtung notwendig.
Das Grundproblem: Als stark frequentierte gemeinsame Geh- und Radwege sind die Trassen mit einer Breite von drei Metern einfach zu schmal.

Am Samstag, 31. Mai 2025 ist eine 59-jährige Radfahrerin aus Bochum auf der Erzbahntrasse schwer verletzt worden:

Gegen 12.15 Uhr waren die Bochumerin und ihr Begleiter (62, auch aus Bochum) mit ihren Pedelecs auf der Erzbahntrasse in Richtung Gelsenkirchen unterwegs. Nach bisherigem Kenntnisstand wollte die 59-jährige in Höhe des Kabeisemannswegs einer entgegenkommenden Gruppe von Fahrradfahrern ausweichen. Hierbei touchierte sie aus bislang ungeklärter Ursache das Zweirad ihres Begleiters. Beide kamen zu Fall.
Die Bochumerin zog sich schwere Verletzungen zu.2 

Und es gibt an vielen Stellen Gefahren durch schwer durchschaubare Vorfahrtregelungen und querende Straßen.

Die Baustelle mit ihren Umleitungen macht die Probleme wie unter dem Brennglas sichtbar:

Nele Voll-Foege (41), Lehrerin an einer benachbarten Schule: An der Absperrung muss die 41-Jährige abbremsen, um die scharfe Rechtskurve zur Umleitung nicht zu verpassen. „Wir sind maximal gestresst davon“, sagt sie. Die Umleitung sei wirklich „eine Katastrophe“. Erstens sei diese erst seit kurzem überhaupt ausgeschildert und zudem an manchen Stellen kaum durchgängig für größere Fahrräder. Vor allem aber für Kinder sei die Umleitung gefährlich, kritisiert Voll-Foege.

Für Erwachsene geht das vielleicht mal, aber für Kinder ist es wirklich schwer und gefährlich

Nele Voll-Foege (Lehrerin)

Sie führe an sehr stark befahrenen Straßenabschnitten vorbei und sei an manchen Stellen sehr eng. Außerdem habe sie keine klare Führung. Viele ihrer Schüler fahren normalerweise mit dem Fahrrad über die Trasse zur Schule und müssen sich seit einigen Wochen über die Umleitung quälen.3

Ich weiß echt nicht, was sich die Stadt dabei gedacht hat.

Nele Voll-Foege (Lehrerin,41)

„Die Leute haben die Schnauze voll“

Herbert Michelus (59, Pendler)

Die Springorumtrasse sei schließlich für viele ihr täglicher Arbeitsweg. Er kenne Leute, die hätten ihr Auto verkauft und nutzten nur noch das Fahrrad für den Weg zur Arbeit. Auch der 59-Jährige nennt die wochenlange Sperrung eine Katastrophe. Aus seiner Sicht ist die Umleitung zudem enorm gefährlich und außerdem sehr lang, die Fahrbahn sei viel zu eng.4

Das hat einen einfachen Grund: Die Umleitungsstrecke von der Springorum-Trasse aus ist ein reiner Gehweg. Und war für Radfahrer ausdrücklich gesperrt – bis er als Umleitung gebraucht wurde. Die Stadt Bochum hat sich strikt geweigert, die Springorum-Trasse an die Königallee anzubinden. Das rächt sich jetzt.

Verschämt weggedreht: Die Beschilderung als Gehweg.
Verschämt weggedreht: Die Beschilderung als Gehweg. Keine Freigabe für den Radverkehr. (01.06.2025)

Das Bauvorhaben selbst wird dagegen voll unterstützt: Besonders im Winter sei eine Beleuchtung sehr sinnvoll.

Bahntrassen als Radschnellwege

Um das grundsätzliche Problem zu lösen, müssten die Bahntrassen zu innerstädtischen Radschnellwegen ausgebaut werden: Ein vier Meter breiter Radweg neben einem zwei Meter breiten Gehweg, dazwischen ein Sicherheitstrennstreifen. So werden Fuß- und Radverkehr deutlich voneinander getrennt und Radfahrer können – bei aufmerksamer Fahrweise – in beiden Richtungen nebeneinander fahren oder überholen ohne den Gegenverkehr zu gefährden.
Genau das hat die Stadt Bochum in ihrem Radverkehrskonzept (RVK) von 2023 für ihre Velorouten zwingend vorgegeben. Der RS1 wird in Gelsenkirchen und weiter bis zur A40 gerade nach diesen Vorgaben gebaut. Dafür braucht man durchgehend mehr als das Doppelte der verfügbaren Trassenbreite. Ein Radschnellweg entspricht einer zweigleisigen Bahnstrecke. Aber die Industriebahnen der Erzbahn und der Lothringen-Bahn waren genau wie die Bahnstrecke im Neveltal und deren Abzweig am Springorum-Kraftwerk nur einspurig.

Man müsste also (fast) alle Brücken auf diesen Trassen in doppelter Breite neu bauen. Und die Tunnel verdoppeln. Und man müsste Bahndämme (Erzbahntrasse) und Taleinschnitte (Springorum-Trasse) auf die doppelte Breite bringen.
Dazu müsste die Stadt Bochum aber erst mal in den Besitz der dafür notwendigen Grundstücke kommen, die in weiten Teilen in Privatbesitz sind. Dazu kommt, dass die Bahntrassenwege ja gar nicht der Stadt Bochum gehören, sondern dem RVR, der die Bahntrassenwege ausgebaut hat. Die Stadt Bochum hat den Ausbau der Springorum-Trasse euphorisch begrüßt – solange es nichts kostet.

Woher soll das Geld kommen?

Weder der RVR, noch die Stadt Bochum haben das Geld – und auch nicht die Möglichkeiten, die Bahntrassenwege zu Radschnellwegen auszubauen. Das Projekt würde wohl länger dauern als der Bau des RS1.

Was also dann?

Die Antwort ist einfach: Alternativen schaffen. Die Bahntrassen sind in vielen Bereichen Parallelstrecken zu Hauptverkehrsstraßen:

  • Die Hattinger Straße verläuft parallel zur Springorum-Trassse.
  • Der Castroper Hellweg verläuft parallel zur Lothringen-Trasse.
  • Die Dorstener Straße (B226) verläuft parallel zur Erzbahn-Trasse.

Also muss die Stadt Bochum endlich tun, was sie seit 1988 (Pilotprojekt) im Pflichtenheft stehen hatte und 1999 im Radverkehrskonzept und 2013 im Mobilitätskonzept [Bochum: Was heißt hier »langfristig«? 20.6.2025] auch selbst als Ziel ausgegeben hatte:

Die Hauptverkehrsstraßen zu fahrradfreundlichen Straßen machen.

Die FGSV hat die RASt 06 vor einem Jahr genau in dieser Weise modifiziert: Priorisierung des Fuß- und Radverkehrs gegenüber dem motorisierten Verkehr:

»Zur Erreichung von Klimaschutz- und Energieeinsparungszielen ist es zweckmäßig, die Belange des Fußverkehrs und des Radverkehrs mit besonderer Priorität zu berücksichtigen und dann die Belange des fließenden und ruhenden Kfz-Verkehrs nachrangig zu betrachten.
Für den Fuß- und Radverkehr sind durchgehend regelkonforme, insbesondere sichere und möglichst attraktive, barrierefreie Netze wünschenswert.«

In ihrem Radverkehrskonzept hat die Stadt Bochum 2023 an den Hauptverkehrsstraßen 2,50 m breite Radfahrstreifen versprochen – und plant 2025 an der Hattinger Straße gerade einmal 1,85 m!

  1. https://www.waz.de/lokales/bochum/article409136818/bauarbeiter-angegriffen-radweg-sperrung-dauert-laenger.html (WAZ+) ↩︎
  2. https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/11530/6046082 ↩︎
  3. https://www.waz.de/lokales/bochum/article409119478/springorumtrasse-viel-laenger-dicht-sind-maximal-gestresst.html (WAZ+) ↩︎
  4. ebd. ↩︎

2 Kommentare bei „Bahntrassen -Velorouten – Radschnellwege“

  1. Die Baustelle ist eine einzige Farce.
    Die Laternen sind wahrscheinlich die teuersten Laternen die je einen Radweg ausleuchten werden.
    Kein Wunder das die Leute die Absperrungen umgehen, wenn wochenlang eine Person in einem Mini Bagger einen für Stromkabel unfassbaren Graben gräbt und dabei täglich keine 20m schafft.
    Würde mich nicht wundern, wenn es einen Fördertopf gibt, den die Stadt hier maximal melkt.

    Die Aussage mit dem Schotter und den Wurzeln ist auch der Hammer.

  2. Danke für den Artikel.

    Ich muss gestehen, dass ich ebenfalls durch die Absperrung gefahren bin.
    Ich bin aber nie Arbeitern begegnet.

    Der Grund für mein verbotenes Verhalten ist sehr einfach:
    Angst.
    Angst vor Autos.

    Die Sperrung liesse sich nur über Wasserstrasse(offizielle Umleitung) oder Prinz RegenStrasse umfahren.

    Beide Alternativen sind mir zu gefährlich, insbesondere das Wasserstrassen-Todesstreifen-Stück an der Abfahrt Sheffieldring ist wirklich völlig irre.

    Ich muss dort mein Kind mit dem Rad transportieren – Der hat nochmal viel mehr Angst vor Autos als ich.

    Ich habe den Eindruck, dass das auch das Motiv vieler anderer Absperrungs-Ignorierer ist.

    Ich vermute: Am Ignorieren der Absperrung sind also letztendlich (mal wieder) die Radwegplaner schuld.
    Die Radwegalternative über die Wasserstraße ist mal wieder ne Katastrophe.

    Ich habe Herrn Ordrowski wegen der Wasserstraße mal angemailt:
    Man könne dort leider nur eng so den Radweg anlegen, weil kein Platz.

    Und ja: Man sieht, dass der Springorum Radweg ganzjährig von Pedlern gut genutzt wird, im Sommer ist es ZU voll.

    Auf den Todesstreifen dagegen oft gähnende Leere.
    Und jeder Radfahrer weiss, warum: Auf den Todesstreifen ists überwiegend Angst und Stress.
    Wenige Zentimeter neben tonnenschweren Hochgeschwindigkeitsmaschinen fühlt man sich einfach nicht sicher.

    Ansonsten wie immer ein sehr guter Artikel voller zutreffender Fakten.

    Übrigens: Sieht so aus, als würde die Opeltrasse wenigstens teilweise breiter gebaut werden.
    Wenn man von der Königsallee runter auf die Opeltrassen-Baustelle schaut, sieht das so aus.

Schreibe einen Kommentar